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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sehen, wenn wir eintreten.«
    »Es wird wärmer«, stellte Scarlet verwundert fest, »wie ist das möglich? Je näher man dem Haus kommt, desto wärmer wird es.«
    »Gut erkannt«, antwortete ich ihr. »Myrtle’s Mill ist ein Sommerhaus. Es gibt dort keinen Winter.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Es wird nicht kalt, ganz einfach. Es ist immer grün im Haus. Die Pflanzen, die dort leben, müssen nie vergehen, niemals frieren und niemals schlafen.« Ich öffnete die Tür mit einem alten Schlüssel, der einen knackenden Mechanismus in Gang setzte.
    Wir traten ein.
    »Du meine Güte«, entfuhr es Scarlet.
    »Mein Zuhause«, stellte ich das Sommerhaus namens Myrtle’s Mill vor.
    Scarlet stand ganz still an der Schwelle. Sie hatte nie zuvor etwas Ähnliches gesehen.
    »Das ist alles echt?«, fragte sie mit belegter Stimme.
    »Darauf können Sie wetten, Miss Scarlet.«
    Die junge Frau staunte nur.
    Ein riesiger hoher Baum beherrschte das Innere der Mühle. Die Wurzeln des Ahorns krallten sich in den Boden, und zwischen ihnen wuchs dichtes Gras. Blumen und allerlei wildes Gestrüpp und duftende Gewürze und vieles mehr wuchsen inmitten der Gräser. Möbel standen einfach so im hohen
Gras: hohe Schränke, ein runder Tisch, Korbstühle, weiter hinten dann ein riesiger Sekretär mit einem ausgeschalteten Laptop darauf. Von der hohen, von Ästen und Balken gestützten Decke hingen bunte Laternen mit elektrischem Licht an langen Kabeln herab und tauchten alles in warme, helle Farben.
    Scarlet konnte den Blick gar nicht mehr von dem Baum lösen. Vögel nisteten im Geäst, und manche von ihnen flogen sirrend in der Halle umher.
    »Kolibris«, bemerkte ich und hängte meinen Mantel an einen Ast, der dicht neben dem Eingang fast den Boden berührte. Dann ging ich über den Rasen zur Küche, die sich auf der anderen Seite der Halle befand. »Möchten Sie einen Tee, Miss Scarlet?«
    Sie kam hinter mir her, nur langsam.
    Und wunderte sich dabei unentwegt.
    Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Eine Rosenranke hatte sie zugeschoben.
    »Es gibt auch Bienenstöcke, drüben am Fenster.«
    Scarlet bemerkte, dass tatsächlich Bienen umherflogen und sich auf den Blüten der Blumen niederließen.
    »Sagen Sie mir jetzt nicht, Sie hätten das Haus in diesem Zustand gekauft«, entfuhr es ihr.
    »Das Haus hat mich ausgesucht«, rief ich ihr zu, »nicht umgekehrt.«
    »Aha«, war alles, was Scarlet dazu einfiel. Sie fragte sich, was an diesem Tag noch alles passieren würde. Mit unruhigen Fingern knöpfte sie ihren Flickenmantel auf, streifte ihn ab und legte ihn über einen Stuhl. Wie warm es hier war. Die Luft erinnerte an einen schönen Sommertag, irgendwo …
    Sie berührte die Grashalme, die Rinde, die Blätter.

    Weiter oben in der Mühle befanden sich, das erkannte sie jetzt, noch weitere Stockwerke und Räume.
    »Wie machen Sie das?«
    »Ich?«
    »Ja, irgendwer muss sich doch um das alles kümmern.«
    »Ich tue gar nichts«, antwortete ich ihr.
    Scarlet schüttelte den Kopf.
    Sie hörte ein Geräusch, ein Rascheln.
    Die Grashalme vor ihr bewegten sich, als etwas auf sie zugerannt kam. Ein kleines Etwas, das sehr schnell war.
    Sie erschrak, trat einen Schritt zurück, instinktiv.
    Ein geschmeidiges kleines, schlankes Tier mit hellem Fell sprang auf einen der Korbstühle und von dort auf den Tisch, und von dort aus endlich betrachtete es Scarlet mit unverhohlener Neugierde. Es hatte einen langen Schwanz mit roten und schwarzen Streifen und kleine, pechschwarze Augen.
    Anthea , sagte das Tier mit einer Stimme, die zu ihm passte. Du bist wieder da. Es ist spät, wo hast du nur gesteckt?
    Scarlet blinzelte nur überrascht.
    »Sie können ihn verstehen, nicht wahr?«, fragte ich von der Küche aus und goss Tee auf.
    »Ja.«
    »Dachte ich mir.«
    Das Tier legte den Kopf schief, und seine kleine Schnauze bewegte sich. Wir haben einen Gast?
    »Darf ich vorstellen«, ich steckte den Kopf aus der Küche heraus und machte den Anfang. »Dieser nette Herr hier ist Mister Buster Mandrake.«
    Das Wesen spitzte die Ohren . Buster Mandrake , sagte die quirlige Stimme. Das sollte als Anrede genügen . Das Mister können wir uns ersparen. Wir sind ja unter uns, sozusagen.

    »Er ist, wie der Name schon sagt, ein Mandrake«, erklärte ich. »Ein junger Alraunengeborener.«
    Meine Mutter war eine rote Rose, mein Vater ein Streifenschwanzmungo aus einer Zoohandlung in Queens.
    »Sie trafen sich in einer lauen Mondnacht.« Die Bemerkung konnte ich mir einfach

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