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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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der ich rede, ist unermesslich. Die Stadt unter der Stadt.«
    »Und die Trickster?«
    Er spielte versonnen an seinem Brillengestell herum, bog die Bügel hin und her. »Wenn sich elfisches Blut mit menschlichem Blut vermischt«, erklärte er mit ernster Miene, »dann kann, wenn es der Zufall will, ein Trickster geboren werden.«
    »Und diese Trickster?«
    »Verfügen über Eigenschaften, die weder Menschen noch Elfen besitzen. Sie können Dinge tun, die andere nicht tun können. Sie können die Gedanken fremder Menschen lesen, sie vermögen Gegenstände zu bewegen, ohne sie zu berühren, oder ohne Hilfsmittel Feuer zu entfachen, nun ja, und vieles mehr.« Er zwinkerte ihr zu. »Es gibt nicht viele von ihnen, nicht hier.«
    »Ich kann nichts dergleichen«, gab sie zu bedenken.
    »Du bist auch keine Trickster«, sagte er. »Jedenfalls ist Buster der Meinung, dass du keine bist. Und die Mistress
ebenso. Trotzdem kannst du Dinge tun, die andere nicht können.«
    »Die Pflanzen«, flüsterte sie. Ja, das musste es sein.
    »Was ist mit ihnen?«
    »Ich spüre sie«, gestand Scarlet. »Na ja, ich kann ihre Gedanken nicht lesen, aber ich glaube, dass ich sie spüre. Und sie spüren mich.« Wieder dachte sie an die Dornenhecke und ihr Flehen: Bitte, lass das nicht das Ende sein. Bitte, ich will leben. Sie hatte die Pflanze darum gebeten, ihr zu helfen. Sie hatte sie angefleht.
    Jake nickte. »Genau das meine ich. Du bist ein Tricksterkind.«
    »Das heißt?«
    »Das bedeutet, dass deine Eltern beide Trickster waren.«
    Sie schwieg.
    Dann fragte sie: »Und du?«
    »Was ist mit mir?«
    »Bist du auch etwas Besonderes?«
    Er grinste breit. »Hey, jeder ist doch etwas Besonderes.« Er schien die Frage außerordentlich lustig zu finden. »Ich kann Dinge reparieren, aber das ist auch schon alles. Ich bin nur ein Mensch wie jeder andere auch.« Er lächelte. »Nicht im magischen Sinne besonders.«
    Scarlet nickte geistesabwesend.
    Sie wusste nicht, ob sie ihrem Gegenüber Glauben schenken konnte, aber etwas in ihr schien sich recht schnell mit dem Gedanken anzufreunden, dass er nicht unbedingt unrecht haben musste. Sie fragte sich bloß, weshalb er den Mandrake verstehen konnte. Die Frage danach verkniff sie sich allerdings, weil sie nicht wusste, ob es geschickt war, ihn danach zu fragen.

    Also ließ sie es dabei bewenden und beschloss, wachsam zu sein.
    Ihr Blick schweifte umher.
    Oh, dieses seltsame Haus.
    Drüben, zwischen den Holunderbüschen, stand ein Klavier. Es war alt, und die Tasten waren voller Kratzer, und die Lackierung war teilweise abgeblättert. Es standen selbst dort Tontöpfe mit Grünpflanzen, so dass es aussah, als wüchse das Klavier direkt aus dem Dickicht heraus.
    »Kannst du spielen?«, fragte Jake.
    »Klavier?«
    »Ja, du sahst aus, als würdest du es gern versuchen.«
    »Ich weiß nicht.«
    Er stand auf, ging zum Klavier und öffnete es. »Komm her, versuch es«, forderte er sie auf.
    Scarlet wusste nicht, ob sie es tun sollte. Sie erhob sich und ging durchs Gras zu dem Instrument.
    Jake trat zur Seite.
    Und Scarlet stand unschlüssig vor dem Klavier, als sei es ein Lebewesen.
    Dann legte sie ihre Finger auf die weißen und schwarzen Tasten. Spielte.
    Eine Melodie, die gebrochen und gar nicht beschwingt war.
    »Es ist nur Geklimper«, sagte sie schnell und ließ die Tasten los, als habe sie sich die Finger verbrannt. Sie spürte hei ße Tränen in den Augen, unterdrückte sie, schluckte all die Trauer, die sie spürte, herunter. »Einfach nur blödes Geklimper«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »Musik, die keine ist.« Sie drehte sich um und ging, ohne Jake zu beachten, zu dem Ahorn – und berührte ihn.
    Er fühlte sich warm an, als sie die flache Hand auf die raue Rinde legte.
    Sie schloss die Augen.
    Der Ahorn sagte nichts, er war ein Ahorn.
    Aber da war ein Vibrieren zu spüren, eine Empfindung wie von Herbst und Winter, die gemeinsam zu singen versuchen. Es war ein Lied, leise und gar nicht wirklich. Ja, eine warme Melodie stieg aus der Tiefe seines Wurzelwerks empor. Scarlet konnte sie auf der Haut spüren, und sie konnte ebenso spüren, dass der Baum ihrem Herzschlag lauschte. Sie schmeckte die dunkle Erde, die dem Ahorn Leben gab, sie hörte all die Lieder, die er in seinem langen Leben vernommen hatte. Sie ließ sich von ihm berühren und trösten.
    »Ist alles in Ordnung?« Jake tauchte neben ihr auf.
    »Nein«, sagte sie, »leider ist gar nichts in Ordnung.«
    Dann klingelte irgendwo ein

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