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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Telefon, schrill und drängend.
    Jake rannte dem Klingeln entgegen, als gäbe es nichts Wichtigeres.
    Scarlet blieb regungslos stehen und berührte erneut die Rinde des Baums.
    »Ich habe Angst«, vertraute sie dem Ahorn an.
    Und noch bevor Jake Sawyer zu ihr zurückkehrte und ihr mitteilte, dass sie augenblicklich aufbrechen müssten, schnell und hastig, da ahnte Scarlet bereits, dass sie allen Grund dazu hatte, sich zu fürchten.
    Dessen eingedenk und das kleine Amulett tröstend an ihrem Hals, verließ sie fünf Minuten später Myrtle’s Mill und folgte Jake Sawyer durch ein Schneetreiben, das so dicht war, dass sich jedes Geheimnis mühelos darin verbergen konnte.

KAPITEL 5
    1 WEST 72ND STREET
    Die stickige Luft war überall in der Subway, wie ein Vorbote der Dinge, die sich vor ihr verbargen. Scarlet mochte die Tiefen unter der Erde nicht, so viel war sicher. Sie dachte fortwährend an die dunkle erdrückende Masse tonnenschwerer Erde, die allzeit, wenn sie hier unten war, auf ihr lastete; sie dachte an die Rohre, die Leitungen und die anderen Tunnel, die alle zwischen ihr und dem Tageslicht verliefen.
    Nein, sie fühlte sich gar nicht wohl hier unten. Doch die Aussicht, schon bald wieder an die Oberfläche zurückkehren zu können, hellte ihre Laune ein wenig auf. Der Treffpunkt, den ihr neuer Begleiter ihr genannt hatte, befand sich ganz in der Nähe des Central Parks, und die Aussicht, in der Nähe freier Flächen zu sein, war immerhin etwas Tröstliches an diesem merkwürdigen Tag.
    Alles war seltsam, so undurchschaubar .
    In dem Haus mit den vielen Pflanzen zu erwachen, den bittersüßen Tee noch auf der Zunge zu spüren, dem fremden jungen Mann durch die Stadt zu folgen, als gäbe es keine andere Möglichkeit.

    Scarlet fühlte sich wie ein Grashalm, den die Wogen eines Flusses mit sich rissen.
    »Es hat einen weiteren Vorfall gegeben«, hatte Jake ihr verkündet und war in Eile in seinen Pullover und den halblangen Ledermantel geschlüpft. Dann hatte er sich einen überaus langen gestreiften Schal um den Hals gewickelt und eine alte Mütze aufgesetzt, die ihn wie einen Arbeiter von den Docks aussehen ließ. »Wir müssen uns beeilen.«
    Scarlet hatte gar keine Wahl gehabt, so schnell war alles passiert.
    »Wir können unterwegs frühstücken«, hatte er gesagt, den Kaffee in einem Schluck geleert, und dann war er auch schon draußen gewesen. »Wenn du hungrig bist, dann …«
    »Was ist denn passiert?«
    »Keine Ahnung, nicht wirklich, aber die Zeit drängt.«
    »Sagt wer?«
    »Mistress Atwood.«
    Scarlet hatte sich still ihrem Schicksal ergeben. Was hätte sie auch anderes tun können?
    Sie war Jake Sawyer durch die verschneiten Straßen Brooklyns gefolgt, und dann hatte sie der altmodische Zug hinüber nach Manna-hata gebracht. Scarlet hatte still und besorgt die zackige und graue Skyline der Stadt bewundert, die Wolkenkratzer, die Schluchten dazwischen, die Geheimnisse, die grauen Fluten in der Tiefe unter der Brooklyn Bridge. Das Rattern des Zuges hatte sie eingelullt, wenn auch nur kurz. Noch immer war sie müde, doch die Furcht, die ständig ihr Begleiter war, ließ sie nicht wirklich zur Ruhe kommen.
    Jake Sawyer schien das alles nichts auszumachen.
    »Wo gehen wir hin?«

    »Wir steigen erst einmal um.« Sie hatten den Zug verlassen und waren in Manna-hata durch ein Gewirr von Tunneln und Treppen und Wegen gelaufen, um am Ende einen anderen Zug zu besteigen, der sie bis zu ihrem Reiseziel brachte.
    »1 West 72nd Street«, nannte Jake ihr den Treffpunkt. »Mistress Atwood wird uns dort erwarten.«
    »Du hast von einem Vorfall gesprochen«, stellte sie erneut fest.
    »Ja.«
    »Was genau meinst du damit?«
    »Sie hat nur Andeutungen gemacht.«
    »Was für Andeutungen?«
    »Vermutlich ein Mord«, sagte er.
    Scarlet schluckte. »Ein Mord?«
    Er nickte. »Ja, jemand ist zu Tode gekommen.«
    »Ich weiß, was ein Mord ist«, erwiderte sie entnervt.
    »Schon klar.«
    »Was haben wir damit zu tun, wenn sich irgendwo ein Mord ereignet?«
    »Nichts, glaube ich.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Nun ja, wir helfen nur dem Inspektor.«
    »Inspektor?«
    »Genau genommen sind Mistress Atwood und Buster Mandrake diejenigen, die dem Inspektor helfen. Ich habe mit der ganzen Sache eigentlich nichts zu tun. Bisher jedenfalls hatte ich das nicht. Inspektor Crane leitet die Ermittlungen in diesen Angelegenheiten.«
    »Und es geht bei allen diesen Vorfällen immer um Mord?«
    »Vermutlich schon. Es könnte natürlich

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