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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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auch eine Krankheit
sein, aber daran glaubt eigentlich niemand mehr wirklich.«
    Scarlet seufzte ungeduldig. »Ich weiß schon, wir kennen uns noch nicht sehr lange.« Sie sah ihn wütend an. »Aber vielleicht könntest du mir sagen, was hier los ist. Und was das alles mit mir zu tun hat.«
    Jake schnippte mit den Fingern. »Wir sind da!«
    Er ging zur Tür.
    Scarlet sah das Schild: 72nd Street .
    Sie sprang Jake Sawyer hinterher.
    Draußen auf den Bahnsteigen eilten die anderen Passanten hektisch vorbei, ohne ihnen auch nur die geringste Beachtung entgegenzubringen. Das war New York. Es gab ein Gewühl und ein Getümmel, und doch war jeder allein.
    »Keiner weiß, was das alles mit dir zu tun hat«, erklärte ihr Jake, als sie die Rolltreppe hinauffuhren. »Mistress Atwood hat mir nur ausdrücklich aufgetragen, dich mitzubringen, das ist alles.« Er schob sich die altmodische Brille zurecht. »Es ist also davon auszugehen, dass du irgendetwas mit der ganzen Sache zu tun hast.«
    »Hm.« Sie schmollte.
    »Also gut, hör zu …« Jake besann sich. »Hast du von den Schlafwandlern gehört?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Der Tunnel machte eine scharfe Biegung nach rechts, dann ging es eine lange Rolltreppe hinunter, über zwei Bahnsteige, dann wieder hinauf und hinein in einen neuen Tunnel, der vor einer schmalen Treppe endete, die endlich nach oben ans Tageslicht führte.
    »Seit Wochen schon tauchen Schlafwandler in der Stadt unter der Stadt auf«, erklärte Jake unterwegs.

    »Was tun sie?«
    »Sie wandeln im Schlaf«, sagte Jake und zog eine Grimasse. »Nein, im Ernst, sie sind seltsam. Und gefährlich. Nun ja, Mistress Atwood glaubt jedenfalls, dass sie das sind. Es sind eigentlich nur gewöhnliche Menschen, die im Schlaf durch die Stadt wandeln. Man erkennt sie kaum, erst recht nicht, wenn sie dunkle Brillen tragen. Sie haben weiße leere Augen, das ist alles. Sie träumen. Ihre Augen sind weiß wie Schnee.«
    Weiß wie das Fell der Wendigo, dachte Scarlet.
    »Was tun sie sonst? Ich meine, außer, dass sie schlafwandeln?«
    Jake zuckte die Achseln. »Das weiß niemand. Aber sie werden häufig in der Nähe der Orte gesichtet, an denen man Eistote findet.«
    »Eistote«, murmelte Scarlet. »Die Mistress erwähnte sie.«
    »Eistote sind gewöhnliche Menschen, die zu Eis erstarrt sind«, erklärte Jake, »und damit meine ich genau das, was ich sage. Sie sind nicht einfach nur erfroren. Sie sind zu richtigem, echtem, kaltem Eis geworden.«
    »Wie kann das sein?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, ganz ehrlich.« Er zuckte die Achseln. »Inspektor Crane hofft wohl, dass Mistress Atwood ein wenig Licht in die Sache bringt.«
    »Warum gerade sie?«
    »Sie ist Spezialistin für Pflanzen. Und das alles hat irgendetwas mit Pflanzen zu tun.«
    »Mit Pflanzen?«
    »Sagte ich doch. Und mehr weiß ich auch nicht. Die Mistress ist schweigsam in dieser Hinsicht. Sie deutete nur an, dass man bestimmte Pflanzen bei den Eistoten gefunden hat.«

    »Und jetzt?«
    »Hat sich ein neuer Vorfall ereignet. Im Dakota.«
    »Dem Hotel?«
    »Es war einmal ein Hotel. Heute ist es ein Apartmenthaus.«
    »Auch gut.«
    Er kam direkt zur Sache. »Sagt dir der Name Ariel Van Winkle etwas?«
    Scarlet schüttelte den Kopf. »Nein, nie von ihm gehört. Klingt holländisch.«
    »Neuenglandadel. Und Wissenschaftler obendrein, glaube ich. Ein Astronom, so was in der Art. Wie auch immer, jedenfalls war er reich, sonst hätte er nicht im Dakota gewohnt.«
    »Ariel Van Winkle ist also der Tote.«
    »Mehr sagte die Mistress am Telefon nicht.«
    »Hm.«
    Scarlet schwieg, hing ihren düsteren Gedanken nach und betrachtete ihr Gesicht in den spiegelnden Schaukästen an den Wänden, die angefüllt waren mit leeren Versprechungen und bunten Werbebildern, verirrten Träumen, so verlogen und geschmacklos – und doch für die meisten Menschen viel wirklicher, als es das tatsächliche Leben jemals sein konnte.
    Nein, dies war nicht die Welt, in der sie gelebt hatte. Scarlet spürte es, tief in sich drinnen.
    »Ist sie nett?«
    »Mistress Atwood?«
    »Ja. Was für ein Mensch ist sie?«
    »Sie ist ein guter Mensch«, antwortete Jake. »Aber sie ist nicht einfach.«
    Scarlet musste lächeln. »Wer ist das schon?«, sagte sie leise.

    Dann verließen sie die Subway und traten endlich ins verschneite New York hinaus, das sie mit der lauten Kakophonie der erwachenden Stadt begrüßte. Es lag ein frischer, kalter Geruch in der Luft.
    Scarlet sah die hohen

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