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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Nur ein Hauch von Verlust und Reue.
    Thoreau schnalzte mit der Zunge. »Ich habe lange in den Wäldern gelebt. Er sah aus wie einer.«
    Scarlet nahm das still zur Kenntnis. Es tat weh, diese Leere in sich zu spüren. »Und dann?«
    »Nichts«, antwortete er. »Sie sind gegangen. Einfach so.«
    Scarlet pfiff leise durch die Zähne. »Wir sind gemeinsam gegangen?«, hakte sie nach.
    »Ja, gemeinsam. Aber wohin … das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Sie sind einfach nur fortgegangen. Und zwar schnell, o ja, Sie hatten es beide sehr, sehr eilig. Man hätte meinen können, dass jemand hinter Ihnen her gewesen sei. Ja, so sind Sie gerannt. Sie haben sich bei mir bedankt, und er tat es auch, aber dann waren Sie auch schon verschwunden. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.«
    »Wissen Sie seinen Namen?«
    »Den Namen Ihres Freundes?«
    Sie nickte.
    »Tut mir leid.« Er schüttelte den Kopf.
    » Croatoan «, murmelte ich.
    »Wissen Sie, was das bedeuten könnte?«, fragte mich Scarlet. Sie war ganz durcheinander, blass und beherrscht.
    »Klingt indianisch«, sagte ich nur.
    Sehe ich auch so, meinte Buster.
    Jake schwieg.
    Sah Scarlet nur von der Seite an.
    »Wo würde man denn herausfinden können, was es bedeutet?«, dachte diese laut nach.

    Ich klatschte in die Hände. »Dort, wo alle Antworten schlummern«, sagte ich. »In Büchern.« Ich verneigte mich vor Master Thoreau und verabschiedete mich. Jake tat es mir gleich. Und Scarlet imitierte, was sie sah. Sie war höflich, das war nett.
    »Passen Sie auf sich auf in der Welt da draußen«, gab er uns mit auf den Weg und paffte an seiner Pfeife. »Das Zeitalter des Wassermanns, müssen Sie wissen, endet, sobald Sie Strawberry Fields verlassen.«
    »Ich weiß«, antwortete ich.
    Dann kehrten wir ihm den Rücken.
    Schnellen Schrittes durchquerten wir den Basar, und als wir dann den kargen Tunnel erreichten, fragte Scarlet: »Wohin gehen wir jetzt?«
    Jake war dicht bei ihr und hielt doch so viel Abstand, dass es nicht so aussah, als wäre er ihr nah.
    »Wir gehen dorthin, Miss Scarlet, wo Geheimnisse gelüftet werden.« Ich bedachte beide mit einem beschwingten Blick. »Wir suchen Master Shakespeare auf. In Midtown.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, ging ich voran. Still hoffend, dass Croatoan nicht das bedeutete, was ich vermutete.

KAPITEL 7
    DIE VERLORENE KOLONIE
    Manchmal, dachte Scarlet, dreht sich die Welt schneller, als es gut für einen ist. Man hört Wörter und sieht Bilder, und alles wirbelt nur so durcheinander, ohne aber einen richtigen Sinn zu ergeben. Es fühlt sich an, als befände man sich mitten im Auge eines gewaltigen Sturms, der bereits vor langer Zeit losgebrochen ist und den man bisher noch nicht bemerkt hat.
    »Ich bin hungrig«, gestand sie, als wir dicht gedrängt in dem muffigen Zug in Richtung Midtown und Theatre District standen. Die Luft hier unten schnürte ihr die Kehle zu. Sie mochte keine erhitzten Menschenmassen, keine dicht aneinandergedrängten Leiber.
    Ich bin auch hungrig , sagte Buster, der, wie immer, auf meiner Schulter hockte und neugierig die anderen Passanten beobachtete.
    »Du bist stets hungrig«, gab ich zu bedenken.
    Ich bin ein Mandrake. Und ein Streifenschwanzmungo .
    »Du bist ein kleiner Mandrake.«
    Der hungrig ist, wenn er hungrig ist .
    »Wie philosophisch.«

    Es ist, wie es ist.
    »Oh, schon gut, wie sieht es mit Jake aus?«
    Der Angesprochene lehnte am Fenster, rückte sich die Mütze zurecht und sagte: »Immer doch.«
    Ich seufzte.
    Nun gut.
    Verließen wir die Subway also bereits am Times Square.
    Scarlet hieß es eindeutig willkommen, hier auszusteigen. Sie bevorzugte es, unter freiem Himmel herumzuwandern. Wenn sie schon den ganzen Tag über durch die Stadt laufen musste, dann an der frischen Luft.
    »Du fühlst dich nicht wohl hier unten«, stellte Jake richtig fest.
    »Vermutlich habe ich ein Leben unter freiem Himmel geführt«, mutmaßte sie und musste erneut an die Wasser denken, die kühlen Fluten, so scharlachrot und sanft gefärbt mit Wolken und hellem Blau. Sie war darin eingetaucht, irgendwie und irgendwann, in einer anderen Welt, in einem anderen Leben, und das Gefühl, das sie verspürt hatte, als sie in den Fluten geschwommen war, hallte noch immer in ihr, wie ein Echo, das einfach nicht verstummen wollte. Sie war nicht allein in den Wassern gewesen.
    »Du kannst dich nicht an ihn erinnern.« Jake brachte es auf den Punkt. Jeden einzelnen ihrer Gedanken brachte er mit diesem einen Satz auf

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