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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Solitaire locken wollten?«
    »Hegst du Zweifel daran, dass genau das ihre Absicht war?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Aber?«

    »Ich verstehe es nicht«, gab sie zu. »Was wird sie tun, diese Lady Solitaire, wenn ich bei ihr auftauche?« Sie korrigierte sich. »Wenn wir bei ihr auftauchen?«
    Jake kratzte sich am Bart. »Wenn sie wirklich diejenige ist, der die Wendigo gehorchen, dann solltest du nicht zu ihr gehen.« Er schlürfte seine Suppe. »Könnte eine Falle sein.«
    Scarlet sagte entschieden: »Es gibt aber nur diesen einen Weg.«
    Beide schwiegen sie.
    »Ich muss es tun«, bekannte Scarlet schließlich.
    »Wir wissen nicht, welches Spiel Mr. Fox und Mr. Wolf treiben.«
    »Sie wird mich nicht töten.« Nein, eigentlich glaubte sie wirklich nicht, dass Lady Solitaire sie töten lassen würde. Die ganze Zeit über fühlte sie sich von den Wendigo bedroht, aber dass sie ihr den Tod zu bringen gedachten, hatte sie von Anfang an bezweifelt. Sie wusste nicht, was die Wendigo bezweckten. Aber nun, da sie in Ruhe darüber nachdachte, kam sie zu dem Schluss, dass vielleicht viel schlimmere Dinge auf sie warten konnten als nur der Tod.
    »Was wird aus den anderen?«, fragte Scarlet. Keine zwei Stunden waren seit ihrer Flucht aus der Public Library vergangen.
    Jake schaute auf. »Mistress Atwood und Christo Shakespeare?«
    »Buster Mandrake nicht zu vergessen.«
    »Die wussten sich schon zu helfen«, meinte Jake. »Starbuck hätte davon gehört, wenn ihnen etwas Schlimmes widerfahren wäre.«
    »Wie?«
    »Ratten«, sagte Jake.

    Scarlet zog eine Augenbraue hoch. »Ratten?«
    »Sie verbreiten Neuigkeiten.«
    »Das wusste ich nicht.« Scarlet war sich nicht sicher, ob Ratten sichere Boten waren. Waren Nager wirklich zuverlässig? Herrje, sie wollte nicht einmal darüber nachdenken. »Du könntest dort anrufen«, schlug sie vor.
    »Wo?«
    »In der Bibliothek.«
    »Geht nicht.«
    »Warum?«
    »Wir befinden uns in der uralten Metropole.«
    »Und?«
    »Telefone funktionieren hier unten nicht.«
    »Aber warum nicht?«
    »Wegen der Zeit.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Die Zeit verläuft anders hier unten. Deswegen kann man nicht telefonieren.«
    »Hm.«
    »Ich erkläre es dir irgendwann.«
    »Ich freu mich drauf.«
    Jake löffelte seine Suppe weiter. Und Scarlet sah ihm dabei zu. Er wirkte ruhig und müde und nachdenklich. Die dunklen Augen, die sich geschickt hinter den Brillengläsern verbargen, waren tiefer, als Scarlet zu schauen vermochte. Jake war ihr noch immer ein Rätsel, wie alles, was sie derzeit umgab.
    »Was hast du?« Jake hatte ihre Blicke bemerkt.
    »Nichts.«
    »Nein«, meinte er, »es ist nicht nichts . Das ist es nie.«
    Scarlet seufzte. Sie lehnte sich über den Tisch, sah ihm in die Augen und fragte: »Wer bist du?«

    »Ich bin Jake Sawyer«, sagte Jake.
    Scarlet zog ein Gesicht. »Du weißt, wie ich die Frage gemeint habe.«
    Seine Finger spielten mit dem Löffel herum. »Mistress Atwood hat mich aufgenommen, damals.« Er schaute sich um. Keiner der anderen Gäste beachtete ihn. Nicht die Arbeiter, die ihr dunkles Bier tranken, nicht die Gildehändler, die Verträge abschlossen, und auch nicht die parfümierten Damen mit den bemalten Augen, die in eindeutiger Absicht von Fremden umworben wurden. »Es ist eine lange, nicht sehr schöne Geschichte.«
    »Ich verrate sie niemandem«, versprach Scarlet.
    Jake lächelte. »Ja, das glaube ich dir.«
    »Nun?«
    Er seufzte. Nahm einen Schluck Wasser.
    »Wir warten hier auf diesen Queequeg«, sagte Scarlet, »und wir können uns anschweigen oder uns etwas erzählen. Und da ich mich an nichts erinnern kann, bist du wohl derjenige, der den Anfang machen muss.«
    »Klingt einleuchtend.«
    »Das sehe ich auch so.«
    Und bevor Scarlet noch etwas sagen konnte, begann Jake mit der Geschichte, die Jake Sawyers wahre Geschichte war. »Wir lebten in Hell’s Kitchen, bei all den anderen irischen Einwanderern«, so begann die Geschichte. »Und wir waren arm.« Sein Blick richtete sich auf die grauen Jahre, die längst der Vergangenheit angehörten. »Mein Vater war ein einfacher Arbeiter aus Dublin. Er kam aus Irland in dieses Land, wie viele andere vor ihm und nach ihm es auch getan hatten, nämlich mit den allerbesten Absichten und fleißigen Händen. Er gehörte zu denjenigen, die damals die Tunnel für die
allererste U-Bahn-Linie gegraben haben. Und später dann grub er sich mit vielen anderen Iren, Italienern und Griechen weiter durch die Erde, Tunnel für

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