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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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gefangen. »In der folgenden Phase seines Lebens«, fuhr ich fort, »lebte John Dee in London und ging am Hof der Regentin ein und aus. Doch dann, im Jahre 1587, verschwand er für drei Jahre aus der Stadt. Niemand wusste, wo er abgeblieben war. Man munkelte, er habe die dunklen Regionen der Seele bereist, aber das war natürlich Unsinn.«

    »1587?«, hakte Scarlet nach.
    »Sie besitzen einen scharfen Verstand, junge Miss Scarlet«, gestand ich ihr zu. »Die drei Jahre waren exakt diejenigen drei Jahre, in denen Walter Raleighs Schiffe nach Roanoke Island gefahren waren. Und just in dem Augenblick, in dem die Schiffe wieder nach London zurückkehrten, wurde auch Magister John Dee wieder gesehen.«
    »Sie glauben, dass er auf Roanoke Island war?«
    »Genau so ist es. John White und John Dee waren, davon bin ich mittlerweile überzeugt, ein und dieselbe Person.« Ich zwinkerte ihr zu. »Ich bezeichne das alles als meine Theorie der vielen Johns .«
    »Aber was hat das zu bedeuten?«
    Ich zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, Miss Scarlet, das habe ich bisher noch nicht herausgefunden.«
    »Aber?«
    »Es ist ein faszinierendes Rätsel.«
    »Na, klasse.«
    »Hören Sie mir einfach zu. Es klingt alles ein wenig seltsam, aber man kann die Zusammenhänge nicht ignorieren.« Ich trat auf sie zu und sah ihr fest in die Augen. »Folgendes: John Dee starb im Jahre 1608. Und im gleichen Jahr erblickte John Milton das Licht der Welt, was ein Zufall sein kann oder auch nicht.«
    John Milton.
    Scarlet senkte den Blick.
    Grübelte.
    »Ich habe sein Buch gelesen, daran kann ich mich erinnern. In der Schule.«
    »Viele mussten sein Buch lesen«, sagte ich. »In der Schule. Und sonst wo.«

    Das verlorene Paradies .
    »Was hat Milton mit der Sache zu tun?«, wollte Jake wissen.
    »John Milton und John Dee waren einander mehr als nur ein wenig ähnlich. Beide gaben sich den okkulten Wissenschaften hin, beide versuchten zu ergründen, was es mit dem göttlichen Funken auf sich hatte. Beide nahmen sie Einfluss auf die politische Lage des Landes. Beide waren die flüsternden Stimmen am Ohr der Regentin von London. Die Ähnlichkeiten sind so schon verblüffend, doch dann, Miss Scarlet, dann sah ich ein Bildnis von John Milton. Doch dazu später.«
    »Was hat es mit seinem Buch auf sich?«, fragte Jake.
    Das verlorene Paradies .
    »Milton erzählt darin die Geschichte eines gefallenen Engels, der gegen die göttlichen Regeln aufbegehrt und dem Paradies einen kurzen Besuch abstattet. Die Schöpfung Gottes, die Milton mehrmals als den träumenden Gott bezeichnet, verliert ihre Unschuld durch den eigenen Ungehorsam und die Intrigen Satans, der in der Gestalt einer Schlange als Verführer auftritt. Eigentlich variiert Milton nur die wesentlichen Aussagen des Buches Genesis aus dem Alten Testament, das ist alles.«
    Ich zitierte:
    »Des Menschen erste Schuld und jene Frucht,
Von Pairidaezas Stock, so süß verflucht,
Hat Himmel stürzen lassen, in die Tiefe,
Und Träume, wenn der Träumer schliefe,
Sind Welten, die im hellen Lichte scheinen,
Wenn Mensch und Engel sind vereinen.«
    Scarlet erkannte es. »Auch John Milton sieht Gott hier als den allmächtigen Träumer.«
    »Wie Dee?«
    Ich nickte. »Ein Zufall? Nein, Jake, ich glaube nicht mehr an Zufälle.«
    »Was hat das alles mit dem Verschwinden der Kinder zu tun?«, wollte Jake wissen.
    »Warte ab, Geduld, Geduld«, murmelte ich, holte ein wenig weiter aus und lief dabei noch immer unentwegt auf und ab. »In seiner recht umstrittenen Schrift Monas Hieroglyphica kommt John Dee zu dem Schluss, dass nur die kindliche Unschuld genügend Reinheit besitzt, um der Alchemie von Nutzen zu sein. Die Unschuld der Kinder müsse man für die Menschheit nutzbar machen, das zu betonen war er nie müde geworden. Sie sei der einzig wahre Schlüssel zur ewigen Jugend.
    All die Experimente, die man damals durchführte, wiesen natürlich in die falsche Richtung.«
    Meistens ging es in diesen Experimenten um das Blut von Tieren, das man gewinnen musste, um seltsame Elixiere aus seltenen Pflanzen zu destillieren. Um Dinge, die mit Jungfräulichkeit zu tun hatten.
    Alles Humbug!
    »Edward Kelly, der John Dee assistierte, verfasste eine Schrift mit dem Titel Vita Obscura , die sich mit dem Stein der Weisen beschäftigte. Edward Kelly war der festen Überzeugung, dass die Kreuzritter vor vielen, vielen Jahren den Stein der Weisen mit nach England gebracht und dort versteckt hatten. Er suchte wie besessen nach

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