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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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die Eva immer so an ihr bewundert hatte. Klein und grau stand sie da und wiederholte ein ums andre Mal mit tonloser Stimme: «Ich steig in die Donau!» – bis Niklas schließlich lautstark zu heulen begann. Da erst wurde Eva bewusst, dass sie rasch handeln mussten.
    «Los, schnell, bevor Vater zurück ist.» Sie packte ihre Schwester beim Arm und zog sie aus dem Haus, quer über die Gasse. In ihrer Not wusste sie nur einen einzigen Menschen, der ihnen vielleicht helfen konnte: die Hoblerin.
    Die erkannte auf den ersten Blick, wie es um Josefina stand.
    «Mädchen, Mädchen, was machst du nur für Sachen?« Energisch schob sie Josefina auf die einzige Bank in ihrer armseligen, aber blitzblank geputzten Stube und holte einen Becher Wein.
    «Jetzt trink erst mal. Weißt, wer der Kindsvater ist?»
    «Ja.» Josefina hielt mit zitternden Händen den Becher an die Lippen. Eine ganze Weile herrschte bedrücktes Schweigen im Raum. Von unten drangen die Rufe eines Krämers herauf, der seinen Karren durch die enge Gasse lenkte. Schließlich ergriff Eva das Wort:
    «Es ist der älteste Sohn ihres Dienstherrn, der Sohn vom Ratsherrn Lindhorn.»
    Die Alte runzelte die Stirn. «Das klingt nicht gut. Andrerseits – bei so hohen Herrschaften will man Aufsehen vermeiden.» Sie sah Josefina eindringlich an. «Ist’s mit Gewalt geschehen?»
    Josefina schüttelte heftig den Kopf. Erneut liefen ihr die Tränen über die Wangen.
    «Oje. Also aus Liebe. Und jetzt, wo der Herrgott euch die Frucht dieser Liebe schenkt, lässt dich der Kerl sitzen. Ist es nicht so? Wie lang ging das schon zwischen euch beiden?»
    «Seit Weihnachten», schluchzte Josefina. Eva starrte unwillkürlich auf den Rock ihrer Schwester: Wölbte sich da nicht schon deutlich der Bauch unterhalb des Schnürmieders?
    «Noch ist die Schlacht nicht verloren.» Die Hoblerin nahm nun selbst einen kräftigen Schluck aus dem Becher. «Ein Kindsvater wird gemeinhin zur Verantwortung gezogen, allein schon, um für das Kind aufzukommen. Ob er nun Lindhorn heißt oder Hans Hungerbein. Daher wird sich der Herr Magistrat hüten, das Ganze zur Anzeige zu bringen, so dumm wird er nicht sein. Eher wird er eurem Vater ein bisserl Geld bieten, damit er stillschweigt. Dafür wird er allerdings wollen, dass Josefina wegzieht und das Kind anderswo zur Welt bringt. Euer Vater sollte also baldmöglichst den alten Herrn aufsuchen und ihm andeuten, dass er mit einem solchen Handel einverstanden ist.»
    «Aber – wo soll ich denn hin?» Josefina sah die alte Witwe erschrocken an.
    «Ihr werdet doch irgendwo Verwandtschaft haben?»
    In diesem Augenblick hörten sie jemanden im Treppenhaus poltern und brüllen. Der Stiefvater!
    «Wo ist das verkommene Miststück? Dieses Hurenweib! Ich dreh ihr den Hals um!»
    Krachend schlug seine Faust gegen die Wohnungstür. Josefina sprang von der Bank und presste sich in der hintersten Zimmerecke gegen die Wand.
    «Mach sofort auf, Hoblerin! Ich weiß, dass meine Töchter hier sind.»
    «Nicht, wenn Ihr euch aufführt wie ein Tollhäusler! Das hier sind meine vier Wände.»
    «Wart nur, du falsche Schlange – ich hetz dir die gesamte Passauer Scharwache auf den Hals.»
    Zu Evas Erstaunen nahm die Alte einen Schürhaken vomKüchenbord und stellte sich schützend vor Josefina. Eine solche Beherztheit hätte sie der bresthaften Frau gar nicht zugetraut. Dann gab die Hoblerin ihr ein Zeichen, die Tür zu entriegeln. Mit glühend rotem Kopf stürzte Gallus Barbierer herein.
    «Halt! Keinen Schritt weiter! Sonst schlag ich Euch ein Loch in den Schädel!»
    Die Hoblerin hob den eisernen Haken. Barbierer war nicht minder überrascht über die wehrhafte Alte und verharrte tatsächlich auf der Stelle.
    «Du drohst mir? Das hat Folgen, das schwör ich dir! Und jetzt gib mir die Josefina raus, dass ich sie aufs Rathaus bringe.»
    «Sagt mir erst, warum!»
    «Warum, warum! Geh doch rüber, in die Stadt – da pfeifen’s die Spatzen von allen Dächern. Rumgehurt hat sie und sich dann auch noch den Ranzen füllen lassen von irgendeinem geilen Mannsbild. Pfui Schande!»
    «Das ist nicht wahr!» Eva ballte die Fäuste. «Dieser Konrad Lindhorn hat sie belogen und betrogen. Vor Gericht gehört der!»
    «Halt die Goschn!» Barbierer verpasste ihr eine Maulschelle. «Und jetzt geh mir aus dem Weg, Hoblerin! Oder soll ich dich gleich mit ins Loch nehmen?»
    «Ins Loch? Was soll das heißen?»
    «Das heißt, was es heißt. Lindhorn hat meine saubere Tochter bei Gericht

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