Die Vampir-Polizei
ich im letzten Augenblick zurückzuckte.
Nein, nicht auf die offizielle Art und Weise. Ich mußte anders ins Haus!
Die Tür war verschlossen, das Schloß sah mir auch ziemlich stabil aus, ich wollte es nicht aufschießen, höchstens im Notfall, aber ich war gesehen worden.
Bestimmt hätte man mich als Zivilist nicht angesprochen, doch einem Cop konnte man noch einigermaßen trauen.
Neben der Haustür wurde ein Fenster geöffnet. »Wollen Sie rein?« Die Frau sprach mit einer krächzender Stimme.
»Ja, ich suche Chet!«
»Der hat einen Schlüssel.«
»Ich weiß, aber ich brauche ihn. Bitte, öffnen Sie!«
»Okay, aber nur, weil ich Chet leiden mag.« Ein summendes Geräusch erklang. Ich mußte mich regelrecht gegen die Tür stemmen, so schwer war sie.
Die Frau war aus der Wohnung gekommen. Sie trug ein Kittelkleid und eine Strickjacke darüber.
»Funktioniert der Lift?« fragte ich.
»Ja — meistens.«
Ich riskierte es, riß die Tür auf und betrat den Gitterkäfig. Zum Glück war die Leiste noch in Ordnung. Als ich drückte, schüttelte sich die Kabine, bevor sie sich fast widerwillig in Bewegung setzte, verfolgt von den Blicken der Frau, die mir geöffnet hatte.
Leichte Schweißausbrüche ließen sich auf der Fahrt in den vierten Stock nicht vermeiden, denn hin und wieder rechnete ich damit, daß die Kabine ihre Fahrt unterbrechen würde.
Das geschah zum Glück nicht.
So erreichte ich den vierten Stock.
Als ich ausstieg, wäre ich fast über die Beine eines Jugendlichen gestolpert, der im Gang saß und mit dem Rücken gegen die Wand lehnte. Er sah mich nicht, denn er schlief. Eine Flasche mit Gin hielt er umklammert wie einen kostbaren Schatz. Der von ihm ausgehende Fuselgestank verlieh dem Flur Kneipenatmosphäre.
Ein düsterer langer Schlauch. Irgendwo befand dich der Lichtschalter, den ich drehen mußte.
Von den vier Lampen wurden zwei hell. Ich schaute auf zahlreiche Türen, die zu beiden Seiten abzweigten. Wo die Zingaras lebten, war mir unbekannt.
So schritt ich die Türen ab.
Bei der dritten hatte ich Glück. Der Name Zingara war auf einem Schild zu lesen. Ich lauschte.
In der Wohnung war es still. Das gefiel mir nicht. Es konnte auch eine unnatürliche Ruhe sein, und ich wollte mein Ohr schon wieder vom Holz nehmen, als ich einen schluchzenden Schrei vernahm. Dem Klang nach zu urteilen, mußte ihn Chet ausgestoßen haben.
Steckte er in Schwierigkeiten? Wenn ja, durfte ich mir keine Zeit mehr lassen. Da gab es nur eine Chance. Die Tür auframmen. Drei Schritte trat ich zurück. Das übliche Spiel sollte beginnen, das man auch so oft im Kino sah. Es begann nicht.
Urplötzlich wurde die Tür von innen aufgerissen. Chet Zingara stand auf der Schwelle. Seine Uniform bestand nurnoch aus Fetzen. Blut lief in schmalen Streifen über sein Gesicht. Er hatte den Mund geöffnet, Speichel rann über die Lippe, und er machte den Eindruck eines Menschen, der seine Umgebung überhaupt nicht wahrnahm. Als ich ihn packte, schüttelte und ihm Fragen stellte, bekam ich keine Antwort.
Die holte ich mir selbst.
Ich drückte mich an ihm vorbei in die Wohnung. Der Flur war sehr kurz. Die Tür an seinem Ende stand offen. Sie führte in einen Wohnraum, der mit alten Möbeln eingerichtet war.
Couch, Tisch, Sessel. TV, der Schrank, die zahlreichen Figuren und Deckchen, die nach meinem Geschmack reiner Kitsch waren, interessierten mich nicht.
Wichtig waren die beiden Schaukelstühle. In ihnen saßen zwei Frauen. Eine jüngere und eine ältere. Beide trugen helle Kleidung, die Blutflecken zeigte. Die Haare der jüngeren standen sperrig wie Matratzengras auf ihrem Kopf. Sie hatte die Hände erhoben und die Finger mit den langen Nägeln gebogen.
Die ältere Frau grinste mich an. Ihr graues Haar war glatt gekämmt, die Haut faltig.
Beide aber hatten eines gemeinsam.
Sie waren Vampire!
In diesen Momenten, in denen ich die gesamte grausame Wahrheit erfuhr, tat ich nichts. Ich blieb stehen und starrte die beiden an. Sie saßen in ihren Stühlen, schaukelten vor und zurück, dieser Rhythmus ließ sich nicht stoppen, denn keine von ihnen traf Anstalten, die Sitzgelegenheit anzuhalten. Ich dachte an den Namen Zingara und daran, daß Chet wie ein Wilder in dieses Haus und die Wohnung gestürmt war. Den Grund kannte ich nun. Hier wohnte seine Familie. Ich hörte ihn hinter mir. Die Beretta hatte ich noch stecken gelassen. Meine rechte Hand umklammerte das Kreuz in der Tasche der Uniformjacke. Daß ich die beiden
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