Die Vampir-Polizei
jetzt?«
»Er wollte herkommen.«
Das war gut. Dann hatte ich wenigstens Unterstützung. Ralston sagte noch etwas. Seine Worte eröffneten völlig neue Perspektiven. »Es wurde mir gemeldet, daß zwei Patrol Cars unterwegs sind. Mit Besatzung natürlich. Insgesamt neun Personen. Alle Cops stammen aus meinem Revier, und alle sind zu Vampiren geworden. Verstehen Sie nun, Sinclair? Vampire sind unterwegs. Verteilt auf zwei Streifenwagen, fahren sie durch New York. Ich habe versagt. Es hatte hier am Turm seinen Anfang genommen. Ich wollte alles versuchen, um es zu stoppen, es klappte nicht mehr. Tut mir leid. Mir bleibt nur die Kugel…«
»Ralston, Sie sind verrückt!«
Er hob den Blick. In seinen Augen las ich, daß er fest entschlossen war, dem Leben ein Ende zu bereiten. Wie er den Kopf schüttelte und die Waffe dabei ans Ohr hielt, zeigte mir, daß er den schweren, aber dennoch manchmal einfacheren Weg gehen würde.
Und er schoß!
Ich zuckte zusammen, schloß die Augen und dachte daran, daß es der reine Wahnsinn gewesen war. Vor meinen Augen hatte sich jemand getötet. Ich war zu weit entfernt gewesen, um eingreifen zu können, öffnete die Augen wieder und schaute den Tatsachen ins Gesicht. Ralston war zur Seite gekippt und mit dem Kopf auf die Schreibtischplatte geschlagen. Dort lag er, hatte einen glasigen Blick bekommen, und da, wo die Kugel ihn erwischt hatte, war der Kopf zerstört und bot einen schrecklichen Anblick.
Der Schuß war gehört worden. Cops kamen ins Büro gerannt und sahen das Schreckliche.
Ich drehte mich um.
Entsetzen las ich auf den Gesichtern der Polizisten. Sergeant Pick war ebenfalls dabei. Er drängte andere zur Seite und schob sich dicht an mich heran.
»Dafür brauche ich eine Erklärung!«
»Die können Sie haben, Serg. Selbstmord.«
»In Ihrem Beisein?«
»Ja.«
Sein Grinsen wurde wölfisch. »Und Sie haben nicht versucht, dies zu verhindern?«
»Ich konnte es nicht. Ralston war fest entschlossen, sich zu töten. Ich habe mit ihm geredet, ergab mir auch Antworten, aber ich konnte ihn nicht von einem Selbstmord abhalten.«
Meine Worte waren in ein gespanntes Schweigen gefallen, und sie hatten die Anwesenden keinesfalls beruhigt. Ein jeder fühlte sich unwohl, die meisten blickten betreten, einige atmeten schwer. Nur Pick wagte es, etwas zu sagen.
»Er hatte keinen Grund!« flüsterte der dicke Sergeant. »Nein, Ralston hatte keinen Grund.«
»Doch«, sagte ich. »Es gab einen.«
»Und welchen?« Pick fuhr mich scharf an. »Verdammt, reden Sie! Anscheinend wissen Sie mehr als ich, obwohl ich schon jahrelang mit ihm zusammengearbeitet habe.«
»Ja, das weiß ich wohl. Ralston hatte einen Grund, einen sehr triftigen und persönlichen. Es ging um seine Frau, Serg. Seine Ehefrau ist zur Vampirin geworden und mußte von meinem Kollegen Suko getötet werden. Das hatte man Ralston gesagt, und diese Schmach konnte er einfach nicht überwinden. Verstehen Sie?«
Pick hob seine Hand. Es sah so aus, als wollte er mir ins Gesicht schlagen. »Das ist nicht wahr!« ächzte er.
»Sogar die reine Wahrheit!«
Mit dem Zeigefinger wischte Pick einen dünnen Schweißfilm von seiner Oberlippe. Auch die anderen Kollegen hatten meine Worte gehört und waren von ihnen tief getroffen worden. Jemand, der im Hintergrund stand, sprach das Wort »Vampire« krächzend aus.
Ein anderer meinte: »Die gibt es doch nicht.«
Ich sprach dagegen. »Tut mir leid, aber Vampire existieren. Und nicht nur in Rumänien auf dem Schloß des Grafen Dracula, wie der Film und die Literatur berichten. Auch hier gibt es Vampire. In dieser modernen Zeit, in dieser Nacht, in diesem Stadtteil von New York. Sie hausen in der Bronx. Sie haben sich gesammelt, und sie werden ihren furchtbaren Terror wie einen Mantel ausbreiten. Wir müssen der Gefahr ins Auge sehen und uns auf einiges gefaßt machen. Die Saat, die vor Hunderten von Jahren gelegt worden ist, geht nun auf. Das Rätsel kann nur durch eine geheimnisvolle Gestalt gelöst werden, die auf den Namen Mazara hört. Gesehen hat sie noch niemand, auch ich nicht, aber ihr Geist ist allgegenwärtig. Verstehen Sie mich nun?«
Nein, sie verstanden mich nicht. Es war auch zuviel verlangt. Wir aber befanden uns hier, wir mußten den Tatsachen ins Auge sehen und mit ihnen fertig werden.
»Normal wäre es, die Mordkommission zu benachrichtigen«, sagte ich.
»Das lassen wir bleiben. Ralston kann später abgeholt werden. Ich denke da an den morgigen Tag. Für uns ist es
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