Die Vampire
gepeinigte, verquälte Bürokrat, dessen törichte Subordinierte außerstande waren, Jack the Ripper zu ergreifen, verschwand; an seine Stelle trat der alte Heereskommandeur, der unter Beschuss blitzschnelle Entscheidungen zu treffen vermochte. »Hier geht es um englische Männer und Frauen«, hatte Mackenzie gemurrt, »und nicht um blödsinnige Hottentotten.«
Allem Anschein nach hatten die Kreuzfahrer Christi unerlaubterweise eine Kundgebung abgehalten, um dem Parlament eine Petition zu überreichen. Sie verlangten, dass es bei Todesstrafe verboten werden solle, einer Person ohne deren Einverständnis Blut zu entziehen. Einige Vampire hatten sich unter die Kreuzfahrer gemischt, und gewaltsame Tumulte waren entbrannt. Ein Unbekannter hatte einen Schuss auf John Jago abgefeuert, von dem sich dieser nun in einem Gefängnishospital erholte. Mehrere einflussreiche Neugeborene gaben an, sie seien von warmblütigem Pöbel überfallen worden, und ein Murgatroyd mit Namen Lioncourt war außer sich vor Zorn, weil man ihm eine entzweigebrochene Fahnenstange durch seinen besten Anzug gestoßen hatte.
General Iorga, ein Kommandant der Karpatischen Garde, war
in das Handgemenge geraten. Nun stand er neben Sir Charles und Godalming und betrachtete die Bescherung. Iorga war ein Ältester, der mit Kürass und langem schwarzem Umhang angetan umherstolzierte, als bewege er sich auf seinem eigenen Grund und Boden. Sein Adjutant war ein ruritanischer Lebemann mit jugendlichem Antlitz namens Rupert von Hentzau, der sich einiges auf seine goldbesetzte Uniform zugutehielt und im Speichellecken ebenso bewandert schien, wie er dem Ruf nach mit dem Rapier umzugehen verstand.
Grimmig lächelnd bedachte Sir Charles die Männer, die er als Soldaten zu bezeichnen pflegte, mit Komplimenten.
»Wir haben einen bedeutenden Sieg errungen«, erklärte er Iorga und Godalming. »Ohne einen einzigen Verlust zu erleiden, haben wir den Feind in die Flucht geschlagen.«
Von einem Augenblick auf den anderen war ein Sturm losgebrochen und hatte sich schon wieder gelegt, ehe der Vorfall Wellen schlagen konnte. Iorga war zu Pferde kreuz und quer durch die Menge geritten und hatte den einen oder anderen kleinen Schaden angerichtet, doch Hentzau und seine Kameraden waren zu spät am Ort des Geschehens eingetroffen, um aus einer Rauferei ein Massaker werden zu lassen.
»Die Rädelsführer müssen umgehend gefasst und gepfählt werden«, sagte Iorga. »Mitsamt ihren Familien.«
»So geht das nicht bei uns in England«, entgegnete Sir Charles, ohne nachzudenken.
In den Augen des Karpaters loderte hypnotischer Zorn. Was General Iorga anbetraf, so befanden sie sich nicht in England, sondern in einem Westentaschen-Königreich des Balkans.
»Jago wird wegen Sektierertums und Verstoßes gegen das Versammlungsverbot vor Gericht gestellt«, sagte Sir Charles. »Und seine Spießgesellen werden sich in Dartmoor wiederfinden und einige Jahre mit Steineklopfen zubringen müssen.«
»Jago hätte Devil’s Dyke verdient«, warf Godalming ein.
»Zweifellos.«
Devil’s Dyke war zu einem Gutteil die Erfindung von Sir Charles, welche auf der Idee beruhte, mit Hilfe eingeborener Kriegsgefangener die Zivilbevölkerung zusammenzutreiben, um zu verhindern, dass diese ihrem Kriegsvolk Unterstützung bot. Wie Godalming gehört hatte, schien, was man gemeinhin unter Zwangsarbeit verstand, im Vergleich zu den Gefangenenlagern wie eine sanfte Meeresbrise auf der Strandpromenade von Brighton.
»Was geschieht mit dem Burschen, der den Aufruhr angezettelt hat?«, fragte Mackenzie.
»Mit Jago? Das sagte ich doch gerade.«
»Nein, Sir. Ich spreche von dem törichten Narren mit der Pistole.«
»Geben Sie ihm einen Orden«, meinte Hentzau. »Und dann schneiden Sie ihm die Ohren ab, zur Strafe für seine jämmerliche Schützenkunst.«
»Er muss selbstredend gefunden werden«, erwiderte Sir Charles. »Schließlich können wir uns nicht von christlichen Märtyrern auf der Nase herumtanzen lassen.«
»Unsere Ehre ist herausgefordert«, sagte Iorga. »Wir müssen Repressalien ergreifen.«
Nicht einmal Sir Charles war solch ein Hitzkopf wie der General. Godalming zeigte sich erstaunt über den Unverstand des Ältesten. Mit der Anzahl der Lebensjahre stieg nicht unbedingt auch die Intelligenz. Inzwischen begriff er, weshalb Ruthven in solch verächtlichem Ton von der entourage des Prinzgemahls sprach. Iorga hatte einen Bauch wie eine Tonne und trug Schminke im Gesicht. Einmal, einen
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