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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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reichte ihm eine Visitenkarte. Statt eines Namens trug sie die simple Aufschrift DIOGENES-CLUB.
    »Dies ist so etwas wie eine Vorladung«, erklärte er. »Bitte entschuldigen Sie mich bei Penelope.«
    »Charles …?«
    Er war bereits in der Diele; Florence folgte auf dem Fuße. Er nahm Umhang, Hut und Stock. Bessie würde ihre Pflichten fürs Erste nicht erfüllen können. Florence zuliebe hoffte er, dass das Mädchen in der Lage wäre, sich ihrer Gäste anzunehmen, wenn der Zeitpunkt zum Aufbruch gekommen war.
    »Art wird sie bestimmt nach Hause begleiten«, sagte er und bereute seinen Vorschlag sogleich. »Oder Miss Reed.«

    »Ist das Ihr Ernst? Sie werden uns doch so früh noch nicht verlassen wollen …?«
    Der Bote, ein verschwiegener Bursche, wartete am Straßenrand. Neben ihm, am Bordstein, stand ein Wagen.
    »Ich kann nicht immer frei über meine Zeit verfügen, Florence.« Er küsste ihr die Hand. »Haben Sie herzlichen Dank für Ihre freundliche Einladung.«
    Er verließ das Haus der Stokers, schritt über das Trottoir und stieg in den Wagen. Der Bote, der ihm den Schlag geöffnet hatte, tat es ihm nach. Der Kutscher kannte ihr Ziel und fuhr unverzüglich los. Beauregard sah Florence die Tür vor der Kälte verschließen. Der Nebel wurde dichter, und Beauregard wandte den Blick vom Haus, ließ sich vom gleichmäßigen Rhythmus des Fuhrwerks tragen. Der Bote sprach kein Wort. Eine Vorladung des Diogenes-Clus hatte gewiss nichts Gutes zu bedeuten, und doch war Beauregard erleichtert, Florence’ Salon und die Gesellschaft hinter sich lassen zu können.

4
    Commercial Street Blues
    A uf der Polizeiwache Commercial Street machte Lestrade sie mit Frederick Abberline bekannt. Zum Leidwesen des stellvertretenden Commissioners Dr. Robert Anderson und Chefinspektors Donald Swanson bearbeitete Inspektor Abberline den vorliegenden Mord.
    Da er bereits in Sachen Annie Chapman und Polly Nichols - mit der ihm eigenen Beharrlichkeit, jedoch ohne ein bemerkenswertes Resultat - ermittelt hatte, war der warmblütige Beamte
nun auch mit dem Mordfall Lulu Schön und allen, die noch folgen mochten, betraut worden.
    »Wenn ich Ihnen behilflich sein kann …«, erbot sich Geneviève.
    »Sagen Sie nicht Nein, Fred«, meinte Lestrade, »sie weiß, wovon sie spricht.«
    Abberline war offensichtlich unbeeindruckt, dennoch wusste er, dass Höflichkeit nie fehl am Platze war. Ebenso wie Geneviève begriff er jedoch nicht, weshalb Lestrade derart darauf erpicht war, dass sie sich mit dem Fall befasste.
    »Betrachten Sie Mademoiselle als Sachverständige«, sagte Lestrade. »Sie kennt sich mit Vampiren aus. Und in diesem Fall geht es um Vampire.«
    Der Inspektor winkte ab, doch einer der anwesenden Sergeanten - William Thick, den alle nur »Johnny Upright« nannten - nickte zustimmend. Er hatte Geneviève nach dem ersten Mord vernommen und schien seinem Ruf entsprechend ehrlich und gescheit, wenngleich er in seinem Geschmack, was Kleidung anbetraf, zu jämmerlichen Karomustern neigte.
    »Silver Knife ist ohne den geringsten Zweifel ein Vampirmörder«, gab Thick zu bedenken. »Und keineswegs ein verkommener Straßenräuber, der nur tötet, um einen Diebstahl zu vertuschen.«
    »Das wissen wir nicht«, fuhr Abberline ihn an, »und ich will es auch nicht in der Police Gazette lesen.«
    Obschon er überzeugt war, dass er Recht hatte, schwieg Thick. Während der Vernehmung hatte der Sergeant kein Hehl aus seiner Überzeugung gemacht, dass Silver Knife dem Irrglauben erliege, Vlad Tepes’ Brut habe ihm übel mitgespielt - oder, wahrscheinlicher noch, die Vampire hatten ihm tatsächlich übel mitgespielt. Geneviève wusste nur allzu gut, was ihresgleichen einem Menschen anzutun vermochte, und pflichtete ihm bei. Sie war sich jedoch
ebenso bewusst, dass es sinnlos wäre, ausgehend von dieser Theorie eine Liste von Verdächtigen zu erstellen, da die Beschreibung auf unzählige Bewohner Londons zutraf.
    »Ich glaube, Sergeant Thick hat Recht«, erklärte sie den Polizisten.
    Lestrade bekundete seine Zustimmung, doch Abberline wandte sich ab, um seinem protegé, Sergeant George Godley, einen Befehl zu erteilen. Geneviève bedachte Thick mit einem Lächeln und sah, dass ein Schauder ihn durchlief. Wie die meisten Warmblüter wusste er noch weniger über Abstammung, Rangordnung und die unendliche Vielfalt der Vampire als die dunklen Scharen von Neugeborenen des Prinzgemahls. Thick blickte sie an und sah einen Vampir … vom gleichen Schlage wie

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