Die Vampire
die Brust. Das Bettzeug war zurückgeschlagen, und Penelopes Hemd stand offen. An Bauch und Busen klebte ein halbes Dutzend schwarzer Stummel.
»Blutegel!«, stieß Geneviève entsetzt hervor.
Beauregard suchte seinen Ekel zu unterdrücken.
»Verfluchter Narr!« Geneviève stieß den Spezialisten beiseite und legte Penelope eine Hand auf die Stirn.
Die Haut der Patientin glänzte gelblich. Sie hatte rote Ringe um die Augen, und ihr nackter Leib war mit brennenden Malen übersät.
»Das unreine Blut muss geschröpft werden«, erklärte Dr. Ravna. »Sie hat von einer giftigen Quelle getrunken.«
Geneviève zog ihre Handschuhe aus. Sie pflückte einen Egel von Penelopes Brust und warf ihn in eine Schale. Systematisch und ohne die geringste Spur von Abscheu entfernte sie das schneckenähnliche Getier. Blutstropfen quollen aus den Wunden, welche die Sauger in die Haut geschnitten hatten. Dr. Ravna begann zu protestieren, doch Geneviève brachte ihn mit starrem Blick zum Schweigen. Als sie fertig war, breitete sie die Bettdecke über Penelope und steckte sie fest.
»Narren wie Sie haben genug Unheil angerichtet«, fuhr sie Dr. Ravna an.
»Meine Referenzen sind vom Feinsten, junge Dame.«
»Ich bin nicht jung«, gab sie zurück.
Penelope war bei Bewusstsein, konnte jedoch allem Anschein nach nicht sprechen. Ihre Augen schnellten hin und her, und sie ergriff Genevièves Hand. Ungeachtet der offensichtlichen Symptome ihrer Krankheit war mit Penelope ein Wandel vor sich gegangen. Ihre Züge hatten sich um eine Nuance verändert, ihr Haaransatz ging leicht zurück. Sie sah aus wie Pamela.
»Ich hoffe nur, Ihre Blutegel haben nicht auch den letzten Rest ihres Verstandes zunichtegemacht«, wandte sich Geneviève an Dr. Ravna. »Sie war bereits krank, und Sie haben sie bedrohlich geschwächt.«
»Können wir denn gar nichts tun?«, fragte Mrs. Churchward.
»Sie braucht Blut«, sagte Geneviève. »Wenn sie verdorbenes Blut getrunken hat, braucht sie reines Blut als Gegenmittel. Der Aderlass war nicht nur nutzlos, sondern verheerend. Ohne Blut verkümmert ihr Gehirn. Ein Schaden, der womöglich nicht mehr wiedergutzumachen ist.«
Beauregard knöpfte seine Manschette auf.
»Nein«, wies Geneviève sein unausgesprochenes Angebot zurück. »Ihr Blut wird ihr nichts helfen.«
Was dies betraf, ließ sie sich nicht beirren. Beauregard fragte
sich, ob ihre Motive ausschließlich medizinischer Natur sein mochten.
»Sie braucht eigenes oder aber anverwandtes Blut. Moreau hat vollkommen Recht. Es gibt verschiedene Blutgruppen. Unter uns Vampiren ist das seit Jahrhunderten bekannt.«
»Eigenes Blut?«, fragte Mrs. Churchward. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Oder aber das Blut eines Verwandten. Mrs. Churchward, wären Sie wohl damit einverstanden …«
Mrs. Churchward vermochte ihren Ekel nicht zu verbergen.
»Sie haben sie schon einmal gesäugt«, erklärte Geneviève. »Nichts anderes verlange ich von Ihnen.«
Penelopes Mutter war von Grausen ergriffen. Sie hielt die Hände gekreuzt an ihre Brust gepresst.
»Wäre Lord Godalming ein echter Gentleman, hätte er uns dies erspart«, sagte Geneviève an Beauregard gewandt.
Penelope fletschte die Fangzähne und fauchte. Mit baumelnder Zunge schnappte sie blutlechzend nach Luft.
»Ihre Tochter wird es überleben«, redete Geneviève auf Mrs. Churchward ein. »Aber alles, was sie einzig macht, würde womöglich ausgelöscht, und Ihnen bliebe nichts als eine leere Hülle, ein Wesen voller Begierde, doch ohne jeden Verstand.«
»Sie sieht aus wie Pamela«, sagte Beauregard.
Geneviève schaute besorgt drein. »Teufel noch mal! Penelope schrumpft innerlich, wandelt ihre Gestalt, richtet sich zugrunde.«
Penelope wimmerte, und Beauregard verdrückte eine Träne. Der Geruch, die erstickende Hitze im Zimmer, der verzagte Arzt, die siechende Patientin. All dies war ihm wohlvertraut.
Mrs. Churchward näherte sich dem Bett. Geneviève nickte ihr aufmunternd zu und ergriff ihre Hand. Sowie sie Mutter und Tochter zusammengeführt hatte, trat sie einen Schritt zurück. Penelope
streckte die Hände aus und umarmte ihre Mutter. Schaudernd vor Ekel löste Mrs. Churchward ihren Kragen. Die Patientin setzte sich im Bett auf und presste die Lippen auf den Hals ihrer Mutter.
Mrs. Churchward erstarrte vor Schreck. Ein rotes Rinnsal lief Penelopes Kinn hinab und befleckte ihr Nachtzeug. Geneviève setzte sich auf das Bett, strich Penelope über das Haar und sprach ihr mit ruhiger Stimme Mut
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