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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Zügel der Prinzgemahl in Händen hielt.
    »Es ist unerträglich.« Sir Charles tobte. »Ich bin von Strolchen und Stümpern umgeben.«

    Godalming schwieg. Die Strafe für das unbefugte Bemalen von Wänden und Schmieren von Parolen lag dieser Nächte bei fünf Peitschenhieben, die coram publico verabreicht wurden. Wenn es so weiterging, dauerte es nicht mehr lange, und derlei mindere Vergehen würden mit sofortiger Pfählung oder dem Abhauen der schuldbeladenen Hand geahndet.
    »Matthews, dieser Tölpel, mit seiner Pfennigfuchserei«, fuhr Sir Charles fort. »Wir brauchen mehr Männer auf der Straße. Soldaten.«
    Niemand außer Godalming schenkte dem Commissioner Beachtung. Dessen Untergebene gingen ungerührt ihren Geschäften nach und scherten sich nicht weiter um die Zornesausbrüche ihres Kommandeurs. Der stellvertretende Commissioner Dr. Anderson hatte seinen Wanderurlaub in der Schweiz verlängert, während Chefinspektor Swanson sich in der Kunst der Mimikry übte und den Kopf aus der Schusslinie zu befördern suchte, bis die Schlacht geschlagen war.
    Ein schäbig gekleideter Mann trat zu Sir Charles und begann auf ihn einzureden. Sogleich war Godalmings Interesse geweckt. Er schlenderte bis auf Hörweite heran. Der Zerlumpte hatte einen hinkenden Gefährten, der in einem guten Dutzend Yards Entfernung stehen blieb. Bei besagtem Gefährten handelte es sich um einen älteren Vampir, dem jeden Augenblick das Fleisch vom Schädel zu fallen drohte. Godalming vermutete, dass er der Karpatischen Garde angehörte. Er war jedenfalls kein Engländer.
    »Mackenzie!«, schrie Sir Charles. »Was hat das alles zu bedeuten? Wo sind Sie gewesen?«
    »Auf Fährtensuche, Sir.«
    »Sie haben Ihre Pflichten vernachlässigt. Sie sind Ihres Ranges enthoben und werden mit strengen Strafmaßnahmen rechnen müssen.«
    »Sir, so hören Sie …«

    »Und wie Sie aussehen, Sie sind eine Schande für die ganze Mannschaft! Eine verfluchte Schande!«
    »Sir, schauen Sie sich das an …« Mackenzie, der den Rang eines Inspektors zu bekleiden schien, reichte dem Commissioner ein Blatt Papier.
    »Schon wieder so ein verflixter schwachsinniger Brief!«, stieß Sir Charles wütend hervor.
    »Allerdings, doch unvollendet und nicht abgeschickt. Ich kenne den Verfasser.«
    Nun gab es für Godalming keinen Zweifel mehr, dass es sich um eine wichtige Sache handelte. Sir Charles’ Augen bekamen einen unheilverkündenden Glanz. »Sie wissen, wer Jack the Ripper ist?«
    Mackenzie lächelte verschlagen. »Das habe ich nicht gesagt. Aber ich weiß, wer unter diesem ›Künstlernamen‹ Briefe fabriziert.«
    »Dann suchen Sie Lestrade. Es ist sein Fall. Er wird Ihnen gewiss dankbar sein, dass Sie einen weiteren irrsinnigen Quälgeist eliminieren konnten.«
    »Dies ist von überragender Bedeutung. Es betrifft die Sache neulich nachts im Park. Es betrifft eigentlich alles. John Jago, die Dynamitverschwörer, den Ripper …«
    »Mackenzie, Sie reden wirr!«
    Was Godalming anbetraf, befanden sich beide Polizisten am Rande des Wahnsinns. Dieses Blatt Papier jedoch war womöglich Gold wert. Er trat hinzu und warf einen Blick darauf.
    »›Ganz der Ihrige, Jack the Ripper‹«, las er laut vor. »Ist das dieselbe Handschrift wie bei den anderen?«
    »Darauf wette ich zehn Guineas«, sagte Mackenzie. »Und ich bin Schotte.«
    Eine kleine Menge hatte sich um sie versammelt. Uniformierte und auch einige der Müßiggänger drängten neugierig heran. Selbst Mackenzies Vampirältester gesellte sich zu ihnen. Ein neugeborener
Constable war hinter Mackenzie in Habtachtstellung gegangen.
    »Sir Charles«, sagte Mackenzie, »es ist ein Vampir. Hier geht es um eine Verschwörung. Eine Dynamitverschwörung. Ich habe guten Grund zu der Annahme, dass wir vom ersten Tag an genasführt wurden. Höchste Stellen nehmen großes Interesse an dem Fall.«
    »Ein Vampir! Unsinn. Machen Sie den Kreuzfahrern die Hölle heiß, dann werden Sie Ihren Mann schon finden. Und ich verspreche Ihnen, er ist ein warmblütiger Wicht.«
    Mackenzie rang verzweifelt die Hände. Ihm war, als wäre er mit dem Kopf gegen eine Mauer des Starrsinns gerannt.
    »Sir, haben Sie schon einmal vom Diogenes-Club gehört?«
    Sir Charles wurde leichenblass. »Wollen Sie mich zum Narren halten, Mann?«
    Godalming war fasziniert. Der Diogenes-Club war Charles Beauregards Geschäftsadresse, und Beauregard hatte in dieser Angelegenheit überall die Hand im Spiel. Es war durchaus möglich, dass der Schotte eine echte

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