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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Motor darauf warteten, dass eine Kapelle der Heilsarmee den Weg frei machte, klopfte es plötzlich an die Fensterscheibe. Der Chauffeur hob den Blick und sah mit der seinem Berufsstand angemessenen Nervosität hinaus. Eine weiße Feder schwebte durch den Fensterspalt und flatterte zu Boden.
    »Das kommt davon, wenn man im Geheimen seinen Dienst verrichtet«, sagte Beauregard.
    Ashenden legte die Feder in eine Blechbüchse neben den Schaltknüppel, in der sich ein Revolver sowie drei oder vier weitere Schandzeichen befanden.
    »Sie werden es noch zu einem prächtigen Gefieder bringen.«
    »Es gibt nicht mehr viele Burschen meines Alters in Zivil. Manchmal stürzen sich die Weiber auf mich wie die Fliegen, um mir ihre Federn anzuheften.«
    »Ich will sehen, ob ich Ihnen nicht ein Ordensband besorgen kann.«
    »Nicht nötig, Sir.«
    Die Zeit des Schreckens hatte Beauregard die aufregendsten Momente seines Lebens beschert. Die Nächte der Gefahr waren ihm in guter Erinnerung geblieben. Die längst verheilten Bisswunden an seinem Hals verursachten ihm Schmerzen. Er dachte an seine Gefährtin in jenen Nächten, eine Älteste namens Geneviève. Inzwischen war er in Gedanken jedoch immer häufiger
bei seiner Gattin Pamela, die gestorben war, noch bevor Dracula seine transsylvanische Festung überhaupt verlassen hatte. Pamela war die Welt seiner Jugend, die ihm nun sonnenhell und liebreizend erschien. Eine Welt ohne Vampire. Geneviève hingegen war das Zwielicht, erregend, doch gefährlich. Sie hatte ihre Spuren bei ihm hinterlassen. Bisweilen wurde er von plötzlichen Eingebungen überfallen und wusste, was sie fühlte, was sie tat.
    Soldaten hoben die Schranke und winkten sie in die Downing Street. Die Leibwachen des Premierministers waren Älteste, Karpater, die sich im Zuge von Ruthvens Revolte gegen den Pfähler gewandt hatten. Sie trugen mittelalterliche Helme und Kürasse und waren mit Säbeln und Karabinern ausgerüstet. Sowie Dracula zum Angriff gegen Ruthven überging, würden diese Vampire ihrem einstigen Generalissimus mutig die Stirne bieten. Es blieb ihnen auch gar nichts anderes übrig, denn Dracula würde versuchen, sie auf der Stelle zu töten. Er kannte kein Erbarmen, wie dieser Krieg eindrucksvoll bewies.
    Dracula hatte England verlassen, wie er hergekommen war, als Treibgut. Als das Land sich gegen ihn stellte, gab sich der Prinzgemahl gefangen und wurde in den Tower von London gesperrt. Es war eine List: Der spinnenartige Gebieter über den Tower, Graf von Orlok, seinem Genossen Ältesten treu zu Diensten, verhalf ihm zu einer waghalsigen Flucht. Dracula trieb in einem Sarg durch das Traitor’s Gate und erreichte erst die Themse, dann die offene See.
    Nachdem Dracula entkommen war, bestand Geneviève darauf, an Beauregards Bett zu wachen. Sie befürchtete, der Graf könne die Gelegenheit beim Schopf packen und sich an ihnen rächen. Sie hatten seiner Schreckensherrschaft ein Ende gesetzt. Doch der Graf hatte offensichtlich dringendere Geschäfte zu erledigen und verzichtete darauf, es ihnen heimzuzahlen. Diese Missachtung ärgerte Geneviève. Schließlich hatten sie den Gang der Geschichte
verändert. So glaubten sie zumindest. Vielleicht hatten Einzelne auf die Zeitläufe doch nur geringen Einfluss.
    Der Wagen hielt vor Nummer zehn. Ein Vampir-Bediensteter in Livree stürzte aus der Tür. Zum Schutz gegen den Nieselregen hielt er eine Daily Mail über seine Perücke gebreitet. Beauregard wurde die Treppe zur Amtswohnung des Premierministers hinaufgeführt.
    In Europa wanderte Dracula wie dereinst König Lear von Hof zu Hof, wobei er sich das Missfallen seiner Gastgeber über Parlamente zunutze machte, die ihre Monarchen in die Wüste schickten. Sein Geblüt erstreckte sich auf Häuser, mit denen er durch seine Vermählung mit der hochseligen Königin Viktoria und seine weit verstreuten sterblichen Nachkommen verbunden war. Nach Jahrhunderten zählten sämtliche gekrönten Häupter Europas Vlad Tepes zu ihren bemerkenswerten Vorfahren.
    Als er dem Bediensteten seinen Überzieher reichte, bemerkte Beauregard, dass noch immer reichlich französischer Schlamm an seinen Stiefeln klebte. Dass Kriege so nah der Heimat ausgefochten wurden, war ein Wunder der Moderne. Obschon seine alten Knochen sich dem mit aller Macht zu widersetzen schienen, ließ er Männer wie Ashenden und Edwin Winthrop hinund herfliegen.
    In Russland verwandelte Dracula dünnblütige Romanows, deren Gestalt sich daraufhin katastrophal

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