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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Steuerknüppel halten.«
    »Ein echter Veteran«, spöttelte Courtney.
    »Prima«, sagte Cundall, »dann kotzen Sie uns wenigstens nicht alles voll. Möchten Sie uns auf dieser Tour begleiten? Schließlich
veranstaltet der Diogenes-Club den ganzen Zauber. Dass wir uns recht verstehen, Sie sind zu nichts verpflichtet. Ich dachte nur, der kleine Ausflug könnte Ihnen gefallen. Die Landschaft wirkt bei Sonnenuntergang sehr malerisch.«
    »Mit dem größten Vergnügen«, sagte Winthrop mit fester Stimme. Er durfte seine Angst nicht zeigen.
    »Braver Bursche«, befand Cundall. »Ginger, seien Sie doch so gut und besorgen Sie unserem Freund eine Kluft. Sein Blut ist warm, und so soll es auch bleiben.«
    Kein Patrouillenflug konnte so schlimm sein wie das Warten auf die Rückkehr der Piloten. Wenn sie denn überhaupt zurückkehrten. Er verspürte den Drang, ein paar Zeilen aufs Papier zu werfen. Er zog sein Notizbuch und einen Bleistiftstummel hervor.
    »Ihr Testament?«, fragte Courtney.
    »Nein, nur ein paar Notizen. Ohne Notizen lassen sich keine Erkenntnisse sammeln.«
    »Wie Sie meinen, alter Knabe. Ich denke immer an die Leute, denen ich noch Geld schulde. Das hebt die Laune. Wenn ich in den Dutt gehe, werden einige dumm aus der Wäsche kucken.«
    Winthrop dachte gründlich nach und schrieb: »Meine liebe Cat, wenn du dies bekommst, stecke ich in ernsten Schwierigkeiten. Lass dich nicht unterkriegen. Ich liebe dich über alles. Edwin.«
    Das war zwar schwach, aber es musste reichen. Er bat Algy Lissie um einen Umschlag und verschloss den Brief darin. Das war erledigt.
    Ginger kehrte mit einer kompletten Fliegerkluft zurück. Winthrop fragte nicht, wer sie zuletzt getragen hatte. Wie ein diskreter Kammerdiener half ihm der Vampir beim Anziehen. Zunächst musste er alle Dokumente aus seinen Taschen entfernen, für die sich der Boche im Falle seiner Gefangennahme interessieren
könnte. Zwei enigmatische Depeschen vom Diogenes-Club wanderten in einen Schuhkarton. Er behielt nur seine Zündhölzer, sein Zigarettenetui und ein Bild von Catriona.
    »Hübsches Mädchen«, meinte Ginger. »Ein Hals wie ein Schwan.«
    Mit leisem Schaudern unterschrieb Winthrop das Formular, das auf dem Kartondeckel klebte. »Ich schwöre bei meiner Ehre, dass sich weder an meinem Körper noch in meiner Maschine Briefe oder Papiere befinden, die dem Feind dienlich sein könnten.«
    Winthrop zog zwei zerlumpte Wollpullover und ein wattiertes Pyjamaunterteil über Hemd und Hose. Dann kletterte er in seine Fliegeruniform, einen weiteren, mit Lammwolle gefütterten Einteiler aus Gabardine. Mit äußerster Sorgfalt machte Ginger sich daran, Winthrops Kopf zu mumifizieren: Erst ein Seidenschal um den Hals, dann eine großzügige Portion kalten Walfischtrans auf Stirn und Wangen, eine dicke Balaklavamütze, ein wasserdichter, hundslederner Nuchwang-Kopfschutz und schließlich eine Nachtflugbrille aus splittersicherem Glas. Schenkelhohe Stiefel und Stulpenhandschuhe aus Bisam komplettierten das Ensemble. Als Ginger sein Werk vollendet hatte, war Winthrop von Kopf bis Fuß umwickelt, ein dickbäuchiger Schneemann mit ausgestreckten Armen, der eher watschelte als ging.
    »Es ist ziemlich heiß hier drin«, sagte er.
    »Und da oben ist’s arschkalt«, erwiderte Ginger. »Jetzt setzen Sie Ihr Kreuz hier drunter.«
    Ginger legte ihm ein FS20 zur Unterschrift vor. Winthrop überflog das Formular und unterschrieb. Unter einer Auflistung der Gegenstände, die man ihm ausgehändigt hatte, stand: »Dieses Material ist Eigentum des British Commonwealth. Jeder durch Kampfeinsatz bedingte Verlust muss vom befehlshabenden Offizier beglaubigt werden.«

    »Großartig«, meinte Ginger. »Wenn Sie abgeschossen werden, wird das RFC Ihre Witwen und Waisen um die Kosten Ihrer Unterwäsche angehen.«
    »Ich bin nicht verheiratet«, sagte Winthrop und dachte an Catriona.
    »Umso besser.«
     
    »Gute alte Harry Tate«, sagte Courtney und tätschelte den Rumpf der RE8. Der zweisitzige Beobachtungsflieger machte in der Luft angeblich nicht viel her, deshalb hatte Cundall ihm fünf Sopwith Snipes als Wachhunde zur Seite gestellt.
    Winthrop gab Dravot den Brief mit der Bitte, ihn an die Adressatin weiterzuleiten, falls es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommen sollte. Der Sergeant nickte verständnisvoll und verkniff sich die Bemerkung, es werde schon alles gutgehen.
    Courtney half Winthrop in die Beobachterkanzel. Es war nicht leicht, seinen dick vermummten Leib an dem

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