Die Vampire

ihm zeichnete das Leuchtspurfeuer Zickzackmuster. Eine Snipe explodierte in einer orangefarbenen Flammenkugel. Die brennenden Trümmer flatterten zum Château du Malinbois hinunter, Glühwürmchen, die ein Märchenschloss umschwärmten.
    Ein Schrei schwoll, quälend schrill, in seinem Kopf, gellte ihm in den Ohren, ließ seine Augen aus den Höhlen treten. Seine Lungen schmerzten, und er hatte einen Kloß im Hals. Da erst merkte er, dass er aus Leibeskräften schrie. Sein feuchter, warmer Atem beschlug die Innenseite seines Kopfschutzes und gefror in seinem Bart zu Eis.
    Der Deutsche drehte ab und flog davon, überließ ihn seinem Schicksal. Hätte man Winthrop vor die Wahl gestellt, in einem Feuerball zur Erde zu stürzen oder ausgesaugt zu werden wie Red Albright, wäre ihm die Entscheidung schwergefallen.

    Die RE8 besaß, anders als die Schulungsmaschinen, mit denen er den Kanal überquert hatte, nur einen Steuerknüppel, und der befand sich im Pilotencockpit, ein gutes Yard entfernt. Wäre das nutzlos gewordene Lewis nicht im Weg gewesen, hätte er höchstens neun Zoll überwinden müssen. Der Wind strich über die Querruder, und der Knüppel zitterte. Obgleich Courtney verschwunden war, hielt die Harry Tate den letzten Kurs des tapferen Piloten. Es grenzte an ein Wunder, dass die Maschine nicht sofort ins Trudeln geraten war. Dieses Wunder konnte nicht ewig währen. Ihm blieben allenfalls Minuten. Vielleicht auch nur Sekunden.
    Er versuchte den Laufkranz zu umfassen, doch seine steifgefrorenen Handschuhe setzten sich zur Wehr. Er nahm all seine Kräfte zusammen und krümmte die Finger, bis er Halt gefunden hatte. Dann stützte er sich mit den Armen ab, hievte seinen Hintern aus dem Sitz und stemmte die Füße gegen den Innenrahmen, bis er aufrecht stand. Wenn er ausglitt, würde sein Stiefel die Bespannung durchstoßen, und er wäre gefangen wie ein Fuchs in der Schlinge.
    Als er aufstand, verlagerte sich der Schwerpunkt der Maschine. Er beugte sich vor, und die Rumpfnase senkte sich. Seine Beine wurden schwerer, zogen ihn in die Kanzel zurück. Der Wind brandete gegen seine Brust, als stünde er bis zum Hals in stürmischer See. Die Ränder seiner Flugbrille bohrten sich wie Ausstechformen in das Fleisch rings um die Augen.
    Eisige Luft zerrte erbarmungslos an seinem Agnostizismus, zerfetzte ihn wie hauchdünnes Packpapier. Lieber Gott, so es denn einen Gott gibt, ich bitte dich, rette das Leben dieses deines Dieners …
    Eine Eisenstange traf ihn mitten ins Gesicht. Nein, keine Eisenstange, sondern der Lauf des Lewis. Blut strömte ihm aus Mund und Nase. Ein Brillenglas verwandelte sich in ein weißes Spinnennetz.
Wäre sein Kopf nicht doppelt und dreifach vermummt gewesen, hätte ihn der Schlag womöglich bewusstlos gemacht und aus der Maschine geschleudert.
    Er betete stumm und fluchte laut.
    Die Harry Tate war kopflastig. Er sah die sirrenden Flügel des Propellers. Die Drehzahl des Motors sank beständig. Er konnte jeden Moment absaufen.
    Winthrop umklammerte die Polsterung und zog die Beine aus der Kanzel. Die Tragflächen bebten. Ein dreieckiger Riss im oberen Flügel vergrößerte sich von Sekunde zu Sekunde. Schnee und Matsch peitschten vorüber.
    Je tiefer die Maschine sank, desto mehr wurde sich Winthrop der Geschwindigkeit bewusst. In der Höhe waren die Instrumente die einzige Orientierungshilfe gewesen. Hier ließ sich das halsbrecherische Tempo danach einschätzen, wie schnell die Landschaft unter ihm dahinraste.
    Er ritt die Maschine wie ein Pferd und stieß ihr die Knie in die Flanken. Catriona, die im Sattel groß geworden war, fand, er habe einen guten Sitz. Das Lewis war ihm im Weg. Fürchterliche Pausen unterbrachen das Brummen des Motors.
    Hol’s der Teufel, Edwin Winthrop wollte noch nicht sterben.
    Er würde den segensreichen Knüppel zu fassen bekommen, die verflixte Harry Tate sicher nach Hause bringen, die anbetungswürdige Catriona ehelichen, ein verdammter Vampir werden, nach dem grauenhaften Hunnenland zurückkehren, das ekelhafte Fledermausgeschöpf zur Strecke bringen, das Courtney auf dem Gewissen hatte, und das widerliche Blut des Kaisers trinken, aus der verfluchten Hirnschale des Grafen von Dracula.
    Sein linkes Knie rutschte ab. Er verdrehte den Oberkörper. Seine Beine flogen nach hinten. Er krallte die Finger in gefirnisstes Leinen. Der Propeller drehte sich so langsam wie ein Windmühlenflügel. Blut wehte ihm aus Mund und Nase. Er hatte seinen
Schal verloren. Seine