Die Vampire
überschätzen. Eine verlustreiche, aber - wie Sie gleich sehen werden - entscheidende Strategie.«
Croft krächzte, Winthrop schäumte. Man konnte diesen Mann beim besten Willen nicht sympathisch finden. Er schien andeuten zu wollen, dass die Alliierten wackere Männer wie Albert Ball und Tom Cundall geopfert hatten, nur um den Boche in dem Glauben zu belassen, seine mordenden Gestaltwandler seien unbesiegbar.
»Wie Sie wissen, ist das JG1 auf Schloss Adler stationiert. Bei Ihrer letzten Streife haben Sie entdeckt, dass ein Luftschiff über dem Schloss vertäut liegt.«
Um diese Neuigkeit hatte es großes Aufhebens gegeben.
»Solche Maschinen wagen sich nur selten an die Front. Es handelt
sich um das Flaggschiff der feindlichen Luftflotte, die Attila. Von dieser Stellung aus wird ihr Oberbefehlshaber den Verlauf ihrer geplanten Offensive beobachten.«
Winthrop musste an den schwarzen Rumpf des Schiffes denken.
»Sie meinen, Dracula ist in dem Zeppelin?«, fragte Lacey.
Croft fuhr, sichtlich verärgert über die abrupte Unterbrechung, fort. »Auf dieses Endspiel haben wir spekuliert. Wir haben Dracula aus seinem Schlupfwinkel gelockt. Wir haben ihn in unsere Reichweite gebracht.«
Plötzlich begriff Winthrop, was Allard mit »fettere Beute« gemeint hatte. Es waren fast so viele Adler am Himmel wie Spatzen. Und über ihnen schwebte ein Drache, der dracul.
»Wenn der Feind zum Angriff übergeht, ist es Aufgabe dieses Geschwaders, den Zeppelin abzuschießen. Wenn wir der Bestie erst einmal den Kopf abgeschlagen haben, wird ihr Körper rasch verfaulen. Diese Mission bedeutet den Sieg der Alliierten.«
»Alles schön und gut, mein Bester«, sagte Algy, »aber mit unseren Kisten können wir dem verfluchten Zeppelin noch nicht mal an der Hose riechen. In der Höhe gefrieren uns die Augäpfel zu Eis.«
»Er wird zu uns herunterkommen. Lord Ruthven weiß um seine Arroganz. Graf von Dracula liebt dieses Spielzeug, diese Flugmaschine. Er wird es aus der Nähe sehen wollen, wenn seine Truppen die Linien durchbrechen. Inmitten seiner Leibgardisten, seiner gestaltwandlerischen Asse, fühlt er sich sicher. Diese kindische Überheblichkeit ist sein Ende und sein Untergang. Und ihr, Männer, werdet Dracula den Garaus machen.«
»Ich wollte schon immer mal’nen Zeppelin vom Himmel holen«, sagte Bertie. »Verdammt unsportliche Mühlen, diese Zeppeline. Bombardieren Zivilisten und so’n Mist.«
»Hier geht es nicht um Sport«, widersprach Croft. »Hier geht
es um den Krieg. In diesem Fall sogar um Mord. Täuschen Sie sich nicht.«
»Und was ist mit unseren Freunden vom JG1?«
»Bringen Sie sie um, wenn es die Umstände erfordern und erlauben, aber führen Sie um Himmels willen keinen Privatfeldzug gegen sie.«
»Und nach Draculas Tod ist alles vorbei?«
»Dies ist sein Krieg. Ohne ihn werden die Mittelmächte zusammenbrechen.«
»Und wer soll dann kapitulieren?«
Croft zuckte die Achseln. »Der Kaiser. Ohne Dracula ist er ein hilfloses Kind.«
Ruthvens Intimus klang durchaus überzeugend, doch seine Stimme war hohl, sein Horizont begrenzt. Croft hatte gesagt, es gehe nicht um Sport, andererseits sprach er von Endspielen, als sei die Welt ein Schachbrett. Aus der Luft, in der Luft wusste Winthrop, dass es keine Ordnung gab. Ohne Kopf würde die Bestie womöglich wüten, bis alles Leben im Dschungel ausgerottet war. Und die Schlammwüste Europa würde ein Kontinent der Troglodyten, der Höhlenmenschen werden. Doch daran durfte Winthrop jetzt nicht denken. Er dachte nur noch an die Jagd, die Jagd auf Flugdrachen und Adler.
Das Telefon klingelte, und Allard presste sich den Hörer ans Ohr. Der Captain lauschte, nickte, legte auf.
»Es ist so weit«, verkündete er.
41
Kaiserschlacht
S ie bekam keine Luft. Dabei atmete sie nur aus Gewohnheit und nicht aus Notwendigkeit. Ein harter, schwerer Gegenstand lastete auf ihrer Brust. Sie hatte kein Gefühl mehr in den Gliedern. Stechende Schmerzen in der Schulter deuteten auf Silber hin.
Kate blinzelte im Dunkeln. Zum Glück schützte die Brille ihre Augen vor dem Dreck. Seit ihrer Verwandlung, der sie die Fähigkeit zur Nachtsicht verdankte, hatte sie keine so tiefe Finsternis mehr erlebt. Leise, kaum hörbare Geräusche zerfraßen die Grabesstille. Schreie, Explosionen, Motoren, Schüsse, MG-Salven.
Sie war seit Jahren tot, und an ihrem Zustand hatte sich nichts geändert.
Ein Schmerz durchzuckte ihre Schulter und ihren rechten Arm hinab in ihre Hand. Sie ballte ihre
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