Die Vampire
den Cafés der Old Compton Street würde sie bewundernde Seufzer auslösen. Und sie könnte die Halbstarken auseinandertreiben, die ihr gern den Weg zum Waschsalon versperrten.
Sie fuhren im Zickzack von der Piazza di Trevi Richtung Piazza di Spagna und dann eine steile Seitenstraße hinauf. Kate hielt ihren Hut fest. Geneviève fuhr sie zum Hassler zurück.
In der Hotellobby ließ sie sich von einem herrischen uniformierten Funktionär ihren Koffer geben. Sie fragte sich, ob das Management bereits Graf Kernassys Suite ausgeräumt hatte.
Sergeant Ginko, Silvestris Assistent, befragte einige Zimmermädchen. Die Ermittlungen bewegten sich anscheinend in den üblichen Bahnen; man versuchte in der Vergangenheit des Grafen etwas zu finden, das zu seinem Mörder führte. Diese Vorgehensweise versprach nicht gerade viel Erfolg: Kate ging davon aus, dass Kernassy für das ermordet worden war, was er war, und nicht für irgendetwas, das er getan hatte.
Hatte Penelope schon davon erfahren? Stand es schon in der Zeitung? Bestimmt hatte Marcello die Story verkauft. Kate hätte es in London jedenfalls getan.
Geneviève hob die Sonnenbrille und begutachtete Marmor und Vergoldungen. Unablässig strömten reiche Leute mit teuren Gepäckstücken in die Lobby.
»Du bist von Fiumicino schnurstracks hierhergekommen? Du lebst anscheinend gern in großem Stil, Kate.«
Kate schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich hier fehl am Platze, eine graue Maus beim Festmahl.
»Ich bin mitgelaufen, weil es so einfacher war. Wie üblich hat es mich in Schwierigkeiten gebracht.«
Sie erinnerte sich an den Kader von Hoteljungen, die hinter Malenka hergeschwärmt waren und versucht hatten, von Klove ihr Gepäck zu ergattern. Es war erst einen halben Tag her.
»Die Ober hier sollen très délicieux sein«, sagte Geneviève mit einem Blick in die leere, dunkle Bar.
»Das sind sie«, bestätigte Kate.
»Stille Wasser sind tief.«
Geneviève begeisterte sich für stehende Redewendungen. Sie schnappte sie bei Charles auf.
Kate hatte auch eine zu bieten. »Man soll die Feste feiern, wie sie fallen.«
»Ich glaube, du bist eine ganz Schlimme«, sagte Geneviève liebevoll. »Charles hätte mich warnen sollen.«
Es war das erste Mal, dass Geneviève ihn erwähnte. Sie mussten reden. Bald.
Geneviève merkte es auch und schlug vor, dass sie ein Eis essen gingen. Kate war einverstanden. Sie verließen die Lobby, Kate trug ihren Koffer. Genevièves Vespa sah dreist aus, wie sie dort vor dem Hassler geparkt stand, so dicht bei der Spanischen Treppe. Geneviève gab ihrem Roller einen liebevollen Klapser und dem Portier ein Trinkgeld, damit er ihn im Auge behielt.
Sie gingen gegen den Strom die Treppe hinab. Warmblüter in Sommerkleidung spazierten vorbei. Die wenigen Vampire dazwischen, die früh aufgestanden waren, hatten Umhänge wie Wüstenscheichs umgelegt. Alle trugen riesige Hüte und dunkle Brillen. Kate bekam Mode zu sehen, die gegen Weihnachten London erreichen würde.
Am Fuß der Treppe saßen eine Reihe junger Künstler - alle mit Baskenmütze und Bart, als hätten sie sich dafür verkleidet - auf Stühlen und fertigten Skizzen von den Touristen an. Kate konnte in London oder Paris nie an einer solchen Gruppe vorbeigehen, ohne dass es sie reizte. Nach ungefähr siebzig Jahren ohne Spiegelbild nagte beständig die Neugierde an ihr, wie sie aussah. Ihr fiel der Schatten ein, den sie im Wasser des Trevibrunnens gesehen hatte, und es überlief sie kalt.
Geneviève kannte ein Café gegenüber des Hauses, in dem John Keats gestorben war. Überraschenderweise ließen die Touristen es links liegen und gingen lieber ins Museo Keats-Shelley.
»Ein beliebter Treffpunkt von Vampiren«, erklärte sie. »Nachts geht es hier richtig rund.«
Sie bekamen einen Tisch unter einer schwarzen Markise. Der kalte Schatten war herrlich. Kate berührte ihr Gesicht. Es war immer noch heiß von der Sonne. Geneviève bestellte auf Italienisch, und ihnen wurden zwei hohe Gläser mit hellroter Eiscreme serviert. Kate nahm den langen Löffel und löste die obenauf thronende Kirsche.
»Die Inhaber behaupten, abessinische Jungfrauen zu importieren, aber in Wirklichkeit nehmen sie Schafsblut dafür.«
Kate hatte schon früher Bluteis probiert. Es war eher verharscht als cremig, und die Aromen bissen sich. Das hier war etwas anderes.
»Wirklich köstlich«, gab sie zu. Es kitzelte richtig den Gaumen.
»Rom ist eine Stadt für die Sinne«, sagte Geneviève. »Für das
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