Die Vampire
vor«, sagte der Professor, »ein Theorem, das alles in sich begreift.«
»Ein Wagen wird Sie nach Cheyne Walk zurückbringen«, erklärte der Alte aus dem Reich des Himmels. »Unser Zusammentreffen ist beendet. Dienen Sie unseren Zwecken, so werden wir
Sie reich belohnen. Enttäuschen Sie uns, so werden die Folgen … weit weniger angenehm ausfallen.«
Mit einem Wink wurde Beauregard entlassen.
»Empfehlen Sie uns Ihrer Miss Churchward«, sagte Moran mit einem frivolen Seitenblick. Beauregard vermeinte, im sprichwörtlich unergründlichen Antlitz des Chinesen einen Hauch von Abscheu entdeckt zu haben.
Während der Sportsmann ihn durch die Gänge zurück an die Oberfläche führte, überlegte Beauregard, mit wie vielen Teufeln er sich wohl verbünden musste, um sich seiner soeben eingegangenen Verpflichtung zu entbinden. Er widerstand dem Drang, seine Bravour zu beweisen, indem er sich nach vorn durchschlug und seinen Führer zum Eingang geleitete. Er hätte dieses kleine Kunststück ohne weiteres vollbringen können, doch mochte es ihm ebenso wohl anstehen, wenn der Limehouse-Ring ihn weiterhin gering einschätzte.
Als sie ins Freie gelangten, dämmerte es bereits. Die ersten blaugrauen Streifen zogen von Osten herauf, und die Seemöwen, die von der Themse landeinwärts gelockt wurden, kreischten hungrig nach Frühstück.
Der Hansom stand unverändert im Hof, und der Kutscher hockte, in schwarze Decken gehüllt, auf dem Bock. Beauregards Hut, Stock und Umhang erwarteten ihn im Innern des Wagens.
»Adieu, Verehrtester«, sagte der Kricketspieler, und seine roten Augen funkelten. »Man trifft sich auf dem Lord’s.«
11
Belanglosigkeiten
W arum so schweigsam, Penny?« »Was?«, platzte sie heraus, urplötzlich aus ihrer zornigen rêverie gerissen. Einen Augenblick lang schien der Lärm im Foyer überwältigend, verlor sich dann jedoch in einem leisen, theaterhaften Stimmengewirr.
Mit vorgespiegelter Entrüstung wies Art sie zurecht. »Penelope, mir scheint, Sie haben geträumt. Seit einigen Minuten schon beehre ich Sie nun mit meinen dürftigen Geistreicheleien, und doch ist offenbar kein Wort zu Ihnen durchgedrungen. Wenn ich amüsant zu sein versuche, murmeln Sie, aus tiefstem Herzen seufzend: ›O wie wahr‹, und wenn ich mich bemühe, meiner Rede eine ernstere Note zu geben, um mich Ihres Mitgefühls zu versichern, lachen Sie höflich hinter vorgehaltenem Fächer.«
All ihr Hoffen war dahin. Es hatte ihr erster gemeinsamer Ausflug in die Öffentlichkeit werden sollen, ihr erster Auftritt als Charles’ Verlobte. Sie hatte Wochen mit den Vorbereitungen verbracht, mit der Auswahl des passenden Kleides, der korrekten Korsage, des richtigen Anlasses, der geeigneten Gesellschaft. Charles’ geheimnisumwobene Dienstherren hatten alles zunichtegemacht. Sie war den ganzen Abend schon verstimmt gewesen, krampfhaft bemüht, nicht in ihre alte Gewohnheit zurückzufallen und unentwegt die Stirn zu runzeln. Ihre Gouvernante, Madame de la Rougierre, hatte sie oftmals ermahnt, falls der Wind drehe, werde ihr diese Miene noch erhalten bleiben; wenn sie sich heute im Spiegel betrachtete, ohne auch nur die Spur einer Falte entdecken zu können, wurde ihr bewusst, dass die alte Schachtel gut daran getan hatte.
»Sie haben Recht, Art«, gestand sie und suchte die innere Wut
zu unterdrücken, die sie ein jedes Mal befiel, wenn nicht alles nach ihren Vorstellungen ablief, »ich war abwesend.«
»Das spricht schwerlich für meine vampirischen Verführungskünste.«
Wenn er den Beleidigten spielte, ragten die Spitzen seiner Zähne hervor wie Reiskörner, die an seiner Unterlippe klebten.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Hotelrestaurants unterhielt sich Florence angeregt mit einem beschwipsten Gentleman, den Penelope sogleich als den Kritiker des Telegraph erkannte. Von Rechts wegen bildete Florence die Spitze dieser kleinen Expedition in feindliches Gebiet - ihre Sympathien lagen naturgemäß beim Lyceum, während sie sich im Criterion befanden -, dennoch hatte sie ihre Mitstreiter sich selbst überlassen. Das war typisch für Florence. Sie war höchst leichtsinnig und, trotz ihres vorgerückten Alters von dreißig Jahren, eine gefallsüchtige Person. Wen wunderte es, dass ihr Gatte verschwunden war. Ebenso wie Charles sich heute Abend davongestohlen hatte.
»Dachten Sie an Charles?«
Sie nickte und fragte sich, ob an den Geschichten über die Fähigkeiten der Vampire, die Gedanken ihres Gegenübers zu lesen,
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