Die Verbindung: Thriller (German Edition)
für den Tod dieser Frau verantwortlich?, fragte er sich grimmig. Geht das auf mein Konto?
»Was denkst du?«, fragte Joe, der versuchte, Carlyles finstere Stimmung aufzuhellen.
Carlyle nieste wieder. »Ich denke, dass ich mir eine Grippe gefangen habe.«
Joe war nicht in der Stimmung für unechte Mitleidsbekundungen. »Du weißt, was ich meine.«
»Es spielt keine Rolle, was ich denke«, sagte Carlyle düster. »Nicht im Geringsten.«
»Was sollen wir dann jetzt tun?«
»Was denkst du denn?« Er schluckte den restlichen Whiskey hinunter. »Du fährst mich zurück, und dann schreibe ich meinen Bericht.«
»Okay.«
Carlyle schaute hinunter auf sein Glas. »Ich sag dir was, ich hab eine bessere Idee. Du schreibst den Bericht, und ich unterschreibe ihn morgen früh. Ich habe Lust auf ein letztes Glas.«
Joe zuckte mit den Achseln, ihm war beides recht. Was er hasste, war rumzusitzen und in den Überresten eines Fehlschlags herumzustochern. Jetzt galt es, in die Hände zu spucken und ein paar andere Dreckskerle zu finden, über die man sich aufregen konnte. »Klar.« Er zog die Autoschlüssel aus der Tasche und wog sie in der Hand. »Bis morgen früh, Boss.«
»Danke, Joe.«
Carlyle bestellte noch einen Doppelten an der Theke und nahm ihn mit an seinen Platz. Während der nächsten paar Minuten wünschte er sich nichts mehr, als seinen Drink zu genießen, ins Leere zu starren und zu hoffen, dass die Frustrationen der vergangenen Wochen verblassten … Doch dann wurde er zunehmend sauer.
Hinter der Theke hing ein Fernseher mit abgeschaltetem Ton. Als Carlyle hochschaute, sah er Edgar Carlton auf den Eingangsstufen der Parteizentrale, wo er eine »improvisierte« Rede an seine jubelnden Wahlkampfhelfer richtete. Edgar war von Gesichtern umgeben, die in den vergangenen Tagen viel zu vertraut geworden waren, alle damit beschäftigt, zu nicken und Hurra und Bravo zu rufen, als ob ihr Leben davon abhinge, während sie darauf warteten, dass die Wahllokale schlossen, damit die Feierlichkeiten ernsthaft beginnen konnten.
»Ihr habt’s fast geschafft, nicht, ihr Wichser«, fabulierte Carlyle vor sich hin. »Habt bekommen, was ihr wolltet, was euch von Geburt an zusteht.«
Er nahm noch einen Mundvoll Whiskey und beschloss, heute Nacht sei eine ausgezeichnete Nacht, sich die Kante zu geben.
»Wichser!«
Der Barmann unterbrach sich beim Zapfen und warf ihm einen bösen Blick zu.
»Aber das sind sie«, grummelte Carlyle vor sich hin.
Vielleicht sollte er einfach ins Bett gehen.
Auf dem Bildschirm zoomte die Kamera an ein strahlendes, glänzendes Gesicht heran, das hinter Edgars linker Schulter schwebte. Mit dem Whiskeyglas an den Lippen erstarrte Carlyle.
»Verdammte Scheiße noch mal!«
Diesmal schien der Barmann bereit, zu ihm zu kommen und ihn vor die Tür zu setzen.
Carlyle beachtete ihn gar nicht, sprang auf und rannte aus dem Lokal.
Fünfunddreißig
»Kommt schon, kommt schon!«
Xavier Carlton hüpfte von einem Fuß auf den anderen, nippte nervös an seinem Bier und schaute auf den Sekundenzeiger, der vor dem Ziffernblatt seiner TAG Heuer Carrera seine Sprünge machte. Es war 21:59 plus zehn … elf … zwölf Sekunden.
Sein Herz schlug so schnell, dass Xavier dachte, es könne ihm jeden Moment aus der Brust platzen. Dieses Warten war tödlich. Die letzte Stunde vor Schließung der Wahllokale hatte sich endlos hingezogen, schien geradezu Tage zu dauern. Aber jetzt würden sie in weniger als einer Minute den Ausgang der Wahl erfahren. Endlich!
… dreiundzwanzig … vierundzwanzig … fünfundzwanzig …
Das erregte Stimmengewirr verebbte, während alle sich vor den im ganzen Raum verteilten Fernsehbildschirmen versammelten und auf die Nachrichten warteten. Nach den letzten Meinungsumfragen hatten sie immer noch vorn gelegen, wenn auch nur mit fünf Prozent oder so. Das dürfte immer noch genug sein, um ihnen eine kleine, aber tragfähige Mehrheit im Unterhaus zu verschaffen, angenommen, die Meinungsumfragen behielten recht.
… achtundvierzig … neunundvierzig … fünfzig …
Xavier wandte den Blick von der gewaltigen Kinoleinwand am anderen Ende des Hotel-Ballsaals und richtete ihn auf seinen Bruder. Edgar hielt den Kopf gesenkt und sah hager und erschöpft aus. Sie hatten den Sieg jetzt schon so lange in der Tasche, dass sie wirklich nur noch die Gewissheit wollten, ob alles vorüber war.
Aus der Ferne glaubte Xavier, gerade noch den schwachen Glockenklang von Big Ben zu hören, achthundert
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