Die Verbindung: Thriller (German Edition)
immer das sein mochte – ersetzte. Drinnen war der Empfangsraum ungewöhnlich leer, abgesehen von einer einzelnen Gestalt, die komatös in der Ecke zusammengesackt war.
Walter Poonoosamy, allgemein als »Dog« bekannt, war ein Säufer, eine echte Plage oder eine lokale Mini-Berühmtheit, je nach Betrachtungsweise. Dogs Spitzname kam von seiner Angewohnheit, Touristen anzusprechen, die ziellos über die Piazza spazierten, und sie darum zu bitten, dass sie ihm halfen, seinen Labrador Lucky wiederzufinden. Lucky, erklärte er, sei sein einziger Begleiter in diesem Leben, und wie das Schicksal es wolle, sei er ausgerechnet an diesem Tag verschwunden. Soweit man wusste, hatte es ein solches Tier nie gegeben, aber es entsprach dem Klischee des treuen Freundes für einen Stadtstreicher, was – zusammen mit Dogs nicht unerheblichen schauspielerischen Fähigkeiten und seiner Beharrlichkeit angesichts eines rasenden Dursts – für gewöhnlich die Unbedarften so sehr beeindruckte, dass sie einen Betrag lockermachten, der die Kosten von zwei Anderthalb-Liter-Flaschen Diamond White Cider abdeckte, womit er seinen Durst am liebsten stillte. Zur Großstadtlegende gehörte die Geschichte, dass eine seiner tränenseligen Vorstellungen eine amerikanische Lady mittleren Alters, die aus Wyoming kam, dazu veranlasste, dem verdutzten Tramp einen Fünfzigpfundschein mit der Anweisung zu überreichen: »Kaufen Sie sich einen neuen Hund.«
Heute Nacht konnte Carlyle den Beweis einer ausgiebigen, aber nicht vorgesehenen Pinkelpause riechen, die erklärte, warum bislang niemand versucht hatte, Dog von seiner Bank wegzulotsen. Carlyle hielt einen vernünftigen Sicherheitsabstand zu dem Saufbruder ein, während er auf den Empfangstresen des wachhabenden Sergeant – ein freundlicher Mann im mittleren Alter namens Dave Prentice – zuging. Prentice warf gerade einem missmutigen, schläfrig aussehenden PCSO , den Carlyle nicht kannte, ein Paar Latexhandschuhe zu. Auf dem Tresen stand eine große Flasche mit einem Desinfektionsreiniger, und außerdem gab es einen Schrubber und einen Eimer mit kochend heißem Wasser, das mit einem extrastarken Desinfektionsmittel vermischt war. Die Gebäudereiniger würden frühestens um sechs Uhr dreißig eintreffen, und das hieß, dass in der Zwischenzeit ein PCSO zum Einschreiten genötigt werden musste. Police Community Support Officers waren Freiwillige, die sich vertraglich verpflichteten, der regulären Polizei in ihrer Freizeit auszuhelfen; weil sie aber nicht berechtigt waren, verdächtige Verbrecher zu verhaften, wurden sie weitgehend als »Plastikpolizisten« belächelt. Sie waren gelangweilt und nicht motiviert und daher für die meisten Fälle von krassem Fehlverhalten in der Metropolitan Police verantwortlich, wobei es sich normalerweise um Alkoholmissbrauch und Verkehrsdelikte handelte. Rund zwanzig wurden jedes Jahr gefeuert, und Carlyle versuchte im Allgemeinen so wenig mit ihnen zu tun zu haben wie möglich.
»Schaffen Sie ihn schnell hier raus«, knurrte Prentice den PCSO an, weil er wusste, dass Dog auf keinen Fall in eine Zelle kommen würde. Seitdem ein Bericht der Gewahrsamsabteilung der Metropolitan Police vorgerechnet hatte, dass eine Nacht in den Haftzellen sage und schreibe sechshundertsiebenundsechzig Pfund kostete, deutlich mehr als eine im Dorchester Hotel – dreihundertfünfundneunzig Pfund – und im Ritz – dreihundertneunzig –, herrschte ein ziemlicher Druck, so viele von ihnen wie möglich leer zu halten. Die Gastfreundschaft im Charing Cross war daher für Prominente – C-Liste und höher – sowie Schwerverbrecher reserviert. Deshalb definitiv keine Betrunkenen. Da auch kein Krankenhaus in der Nähe Dog aufnehmen würde, ging es jetzt darum, einen anderen Ort für ihn zu finden, an dem er seinen Vollrausch ausschlafen konnte.
»Schaffen Sie ihn einfach um die Ecke, und stecken Sie ihn in einen Hauseingang«, schlug Prentice vor. »Er wird seinen Weg nach Hause früh genug finden.«
Der PCSO grunzte und streifte sich die Latexhandschuhe über. Er grüßte Carlyle nicht einmal, während er sich auf den schnarchenden Penner zubewegte. Carlyle wünschte ihm innerlich viel Glück und ging in die entgegengesetzte Richtung.
Prentice schaute ihn forschend an, während er auf die Empfangstheke zukam. »Schon zurück, John?«
Carlyle verzog das Gesicht. »Ich hab meine verdammten Schlüssel vergessen.«
Für einen Mann, dem es wirklich vollkommen egal war, brachte Prentice
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