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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Kontakt zu meinen Freunden bei der Polizei in Xi’an gehalten, und nun helfen sie mir, weil ich in Kashgar nicht genug Informationen bekomme. Der Kanalröhren-Mord zieht weitere Kreise, als ich bisher angenommen habe.« Li Yandao sah Marion prüfend an. »Was du mir erzählen willst, kann uns enorm weiterbringen. Ich hoffe es zumindest.«
    Marion hielt seinem Blick stand. »Und ich kann nur hoffen, dass du mich nicht verhaftest, wenn ich dir alles gebeichtet habe.«
    »Daran habe zumindest ich überhaupt kein Interesse. Es sei denn, du hast den Mann eigenhändig ins Jenseits befördert.«
    »Das ist nicht witzig. Ich habe bewusst gelogen. Andererseits könnte ich dir heute keine detaillierten Personenbeschreibungen geben, wenn ich von Anfang an ehrlich gewesen wäre.«
    »Ich bin sehr gespannt.«
    »Kannst du dich noch eine Stunde gedulden? Ich brauche warme Schuhe und habe Hunger wie ein Wolf. Beim Essen kann ich dir alles berichten.«
    »In Ordnung.« Er ließ den Motor an und setzte rückwärts aus der Parklücke. Im Rückspiegel sah er einen schlanken, drahtigen Europäer mit dunkelbraunen Haaren und einem gepflegten Schnurrbart darauf warten, dass das Auto den Weg freigab. Li Yandao legte den ersten Gang ein und steuerte auf den Ausgang des Parkplatzes zu.

    Der Mann mit dem Schnurrbart sah dem Polizeiwagen nachdenklich hinterher. Sein billiger Anzug und die abgewetzte Reisetasche aus Kunstleder passten nicht zu seiner selbstbewussten Haltung, dachte Liu Xinrong, als er auf den Mann zuging, um ihm seine Dienste anzubieten.
    »Taxi, Sir?«, fragte Liu Xinrong auf Englisch. Der Mann blickte immer noch dem Polizeiauto nach. Seltsam.
    Dann drehte er sich abrupt um und sah den Taxifahrer irritiert an.
    »Taxi? Taxi, Xi’an?«, fragte Liu Xinrong erneut. Sprach der Mann kein Englisch? Er sah wie ein Türke aus, aber irgendetwas wirkte falsch in seinem Gesicht. Liu Xinrong war ein guter Beobachter. Seit dreiunddreißig Jahren arbeitete er als Taxifahrer und war stolz darauf, dass er die Nationalitäten der Menschen, die er vom Flughafen in die Stadt kutschierte, gewöhnlich richtig zuordnete. In der letzten Stunde waren Flugzeuge aus Hongkong, Bangkok, Beijing, Urumqi und Chengdu auf dem Internationalen Flughafen von Xi’an gelandet – was ihm leider keinen Hinweis auf das Geburtsland des Mannes gab.
    »O ja, danke.« Der Mann folgte Liu Xinrong zu seinem Wagen, verstaute seine Tasche im Kofferraum und glitt auf den Rücksitz. Als Adresse nannte er ein Stadtviertel nördlich der Dabaiyang Lu, einige Kilometer nordwestlich des von der Stadtmauer eingefassten Stadtkerns. Erst glaubte Liu Xinrong, sich verhört zu haben, aber der Mann wiederholte den Namen in perfekter chinesischer Aussprache.
    »Sie sprechen Chinesisch?«
    »Yidianr«, sagte der Mann kurz angebunden. Ein bisschen.
    Liu Xinrong verstummte. Er respektierte es, wenn seine Fahrgäste keine Unterhaltung wünschten. Das Trinkgeld am Ende solcher Fahrten gab ihm gewöhnlich recht. Erst als sie in das unübersichtliche Straßengewirr des Stadtviertels einbogen, öffnete der Fahrgast den Mund und dirigierte Liu Xinrong mit bemerkenswerter Sicherheit zu der gewünschten Adresse. In einer engen Gasse stoppten sie vor einer schmuddeligen Fahrradreparaturwerkstatt. Liu Xinrong sah sich neugierig um. Hierher hatte es ihn in seinem langen Taxifahrerleben nie verschlagen, die Bewohner der alten Häuser waren zu arm, als dass sie sich eine Taxifahrt hätten leisten können. Die meisten Häuser waren zweistöckig, windschief und von der Zeit gezeichnet. Auf den gebrannten Dachziegeln, die den durchgeschnittenen Bambusrohren der Dächer in den Dörfern nachempfunden waren, wuchs Gras, manchmal sogar ein kleiner Busch. Hier und da hatten die Dachbalken nachgegeben; die sich wellenden Dächer sahen lebendig aus wie die eingesunkenen Flanken eines kranken, schwachen Drachen. Überhaupt schienen sich die Häuser langsam aufzulösen. Hier fehlte eine Glasscheibe, dort ein Teil einer Umfassungsmauer, wieder ein anderes Haus hatte einmal bessere Zeiten gesehen: Die schönen geometrischen Schnitzereien, die es einst geschmückt hatten, waren zerbrochen, die Farbe abgeblättert, die bronzenen Türklopfer verkauft oder gestohlen. Unter beinahe kahlen Laubbäumen saßen dick vermummte alte Leute um abgenutzte Tische und spielten Mah Jong. Lieber trotzten sie der Kälte, als in der häuslichen Enge, die Liu Xinrong nur allzu gut kannte, allen im Weg zu sein. Das Klappern der

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