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Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition)

Titel: Die verborgene Botschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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mich um die Angelegenheiten der Armee zu kümmern.«
    Zhao Shan war von Li Guanglis unhöflichem Benehmen nicht überrascht. Der General stand unter hohem Druck, und das Verhältnis zwischen ihnen war nie gut gewesen. Was ihn weitaus mehr beschäftigte, als er das Quartier verließ, war die Botschaft des Kaisers an den General, die in einem kleinen Beutel an seinem Gürtel hing. Ihm war, als würde das Kästchen immer schwerer werden, je länger er es mit sich herumtrug – eine Last, die ihm niemand abnehmen konnte. Es war richtig, Li Guangli nichts über die neuen Befehle mitzuteilen, und es kam Zhao Shan sehr entgegen, dass der Kaiser dem General in seinem Schreiben untersagte, mit seinen Beratern über die neuen Anweisungen zu sprechen, bevor sie Dayuan erobert hatten. Kaiser Wu Di erwartete also keine Antwort des Generals, und sobald sie die Pferde in ihren Besitz gebracht hatten, würde seine Genugtuung über diesen Erfolg ihn hoffentlich den anderen Befehl vergessen lassen. Und wenn nicht? Zhao Shan seufzte. Wenn der Kaiser auf seinem größenwahnsinnigen Unterfangen bestand, konnten weder er noch seine Freunde etwas dagegen ausrichten.
    * * *
    Zhao Shan verließ Dunhuang am Ende des zwölften Mondmonats bei bitterer Kälte. Am Rand der Oase zügelte er sein Pferd und sah mit bösen Vorahnungen auf den Tross von Männern, Tieren und Wagen, der sich in ununterbrochener Folge bis zum Horizont schlängelte wie ein Drachen mit hunderttausend Beinen. Li Guangli, der Kopf des Drachen, hatte das hundertfünfzig li entfernte Jadetor wahrscheinlich schon erreicht, aber es würde noch Tage dauern, bis auch die letzten seiner Männer den Pass überschritten hatten.
    Die Sonne war gerade aufgegangen, und die langen Schatten der Männer wiesen in die Richtung, in die sie sich ab heute Monat um Monat bewegen würden, durch Wüsten, Salzsümpfe und Berge, in Kälte und Hitze, mit Durst und Hunger und Furcht als ihren ständigen Begleitern. Zhao Shan machte sich keine Illusionen: Die meisten der mit gesenkten Köpfen an ihm vorbeiziehenden Männer waren nicht freiwillig hier. Sie waren Bauern, Sklaven und verurteilte Kriminelle, denen man keine andere Wahl gelassen hatte. In einem Kampf würden sie sich mutig verhalten, aber im Grunde war ihnen der Ausgang der Schlachten gleichgültig. Nur wenige würden nach Hause zurückkehren.
    Der Abmarsch der Armee hatte sich aus vielerlei Gründen verzögert, und Zhao Shan hatte deshalb in Dunhuang jede Gruppe von Neuankömmlingen wachsam beobachtet. Ein zweiter Bote des Kaisers hätte alle seine bisherigen Bemühungen zunichtegemacht, aber seine Befürchtungen waren grundlos. Alle Nachrichten aus der Hauptstadt befassten sich mit den Vorbereitungen des aktuellen Feldzugs, und Zhao Shan konnte bei seinen seltenen Treffen mit Li Guangli keine Veränderung in seinem Verhalten feststellen.
    Im Laufe der Monate hatte sich Zhao Shan ein wenig entspannt und versucht, das Beste aus seinem Aufenthalt in der hässlichen Kommanderie Dunhuang zu machen. Der Gouverneur lud die versammelten Würdenträger häufig in seinen Palast ein, aber Zhao Shan nahm nur selten an diesen Festmahlen teil, da er sich in Gesellschaft der Offiziere unwohl fühlte. Selbst harmlose Fragen erschienen ihm wie Fallen, durch die sein Verrat entlarvt werden sollte, und jeder kameradschaftliche Schlag auf die Schulter ließ ihn zusammenzucken. Er sonderte sich mehr und mehr ab und widmete sich seinen Übungen. Es war lange her, seit er einen Bogen gespannt oder ein Schwert geführt hatte.
    Sein Diener Lin Hong lenkte sein Pferd neben das seines Herrn. »Ob wir Chang’an jemals wiedersehen?«, fragte er bedrückt. Seine Worte durchbrachen die unnatürliche Ruhe, die über dem endlosen Zug lag, wie Trommelschläge.
    »Still!«, zischte Zhao Shan. »Willst du ihnen völlig den Mut nehmen?« Er deutete auf die Soldaten, denen die Angst vor dem Unbekannten die Kehlen zugeschnürt hatte.
    »Also glaubt auch Ihr nicht an unsere Rückkehr«, flüsterte Lin Hong. Sein weiches, rundes Gesicht war blass wie die Wintersonne.
    Zhao Shan antwortete nicht. Es war nicht nötig.
    * * *
    Dayuan fiel kampflos. Eingeschüchtert von dem mächtigen Heer lieferten die Bewohner dem General nicht nur die geforderten Himmlischen Pferde aus, sondern den Kopf ihres Königs gleich dazu. Li Guangli hatte seinen Auftrag erfüllt und befahl, den langen Weg zurück nach China anzutreten. Er hatte bisher nur die Hälfte seiner Männer verloren, von denen

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