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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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da mit den roten Hosenstreifen auf den dunkelgrünen Uniformen und den kleidsamen schwarzen Brustschnüren. Die persischen Pelzmützen hatten sie neben sich auf den Boden gelegt.
    Die beiden Damen waren jetzt zu einem Zelt gekommen, aus dem es lachte und sang. Hortense bog mit einem Rückfall in mädchenhafte Neugier die Ränder der Zeltteile etwas auseinander. Auch Françoise blickte hinein. Was man da sah, war ein Bild von Teniers. Die rötlich flackernde Beleuchtung, die ganze ländlich-festhafte Gruppierung dieser Männer und Frauen, die da auf langen, über Tonnen gelegten, schwanken Brettern saß: Bürger, Bauern, Jäger, Grisetten, alles durcheinander. Sie trinken, umfassen sich, lachen und gestikulieren. Eine Menge leerer Fässer in der Ecke. Noch gefüllte liegen auf einem Karren. Ein kleiner schielender Kantinier gießt ein.Alles beim Scheine einer schwelenden Lampe und zweier Lichter. Zwischen ein paar Jägern saßen ein paar schöne Mädchen. Das eine nahm sich eben ihr feuerrotes Halstuch ab und schlang es einem Soldaten um den Kopf. Sein Gesicht sah plötzlich fahl aus und entstellt, wie blutumströmt.
    Hortense ließ die Zeltbahn wieder fallen. Nervös wie sie war, hatte der Anblick sie erschreckt.
    In Mülhausen war die Stadt sonderbar leer. Alle Menschen auf den Bahnhof geströmt, die durchziehenden Truppen zu sehen und zu beschenken. Dort auf den Perrons breitete sich ein wahres Modejournal aus von Damen, die mit Blumen und Süßigkeiten auf den Zug aus Belfort warteten. Außerdem hatte die wohlgeordnete Stadt einen soliden Erfrischungsdienst eingerichtet, große dampfende Kessel mit Saucißchen waren aufgepflanzt, Karren mit Weißbrotstangen und Kaffeetöpfen. Dort bedienten hauptsächlich Herren der Gesellschaft. Françoise bemerkte Pierre Füeßli, der in seiner frischen und tätigen Art die Sendungen seines Hauses ordnete und an Austeiler vergab. Sein gesundes Lachen tat ihr wohl. Sie fühlte es als Schutz, ihn in der Nähe zu wissen inmitten dieses Wirbels und Gelärms. Jetzt drehte er sich um und erkannte sie. Sein ernst geschnittenes, einfaches Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an. Er begrüßte Hortense und neigte sich steif vor Françoise, die ihm die Hand entgegenstreckte. Die Tränen schossen ihr in die Augen. »Sie sind noch böse?«
    Er mußte ein wenig lächeln über ihre Naivität. »Fräulein Balde würde nicht wünschen, daß man sie leichten Herzens aufgibt,« sagte er leise und gehalten. Sie senkte wie eine Gescholtene den Kopf. Hortense war fieberhaft erregt, die Augen nach der Richtung der Zugankunft gerichtet. Ungeduldig nahm sie Françoises Arm. » Vite, vite , man gibt schon das Zeichen.«
    Pierre Füeßli war jetzt fertig mit seiner Anleitung. Da er sah, wie die beiden Damen von den neugierig Vordrängenden immer wieder zurückgeschoben wurden, stemmte er beide Arme in die Seiten, ging voran und bahnte ihnen so eine Gasse. So kamen sie vor den Zug, gerade da er eingefahrenwar, und Armand, hübsch in seiner schlanken Uniform, sprang leichtfüßig heraus. Mit lauten Ausrufen des Entzückens begrüßte er seine Damen, drückte dem vermeintlichen künftigen Schwager die Hand und plauderte auf das lebhafteste.
    » Ça marche, ça marche, alles geht gut. Man sagt, daß dreißigtausend Franzosen Luxemburg besetzt haben. Von Bayern, Hessen und den anderen deutschen Ländern noch keine Nachrichten, aber es ist abgemacht, sie marschieren mit uns. Alle Welt ist in bester Laune. Bon jour, ah, bon jour. « Er begrüßte beständig Freunde. »O Dank, Dank, welche herrlichen Blumen.«
    Hortense wandte kein Auge von ihm. »Und ihr geht an die Grenze? Man schickt euch nach Deutschland hinein?«
    »O, was das anbetrifft, man sagt, solange die Nachrichten von Süddeutschland noch nicht angelangt sind, wird keine démonstration auf der rechten Seite des Rheins vorgenommen werden. Vorerst sollen wir nur die Grenzen bewachen. Tant pis, man wird sich langweilen. Man hatte sich gefreut, etwas Neues, Außerordentliches zu erleben.« Es hatte sich ein kleiner Kreis von Zuhörern um ihn gebildet, Hortense betrachtete diese Leute eifersüchtig. Sie fühlte förmlich, wie die kostbaren Minuten rannen, aus ihrem Blute rannen. Als man das Abfahrtszeichen gab, wurde sie weiß, sie hob beide Arme. »Ich sehe dich nicht wieder, du kommst nicht zurück.«
    »Pauvre petite« – er nahm sie in die Arme – »wie ich dich liebe.« Sein Gesicht war von Tränen überströmt. Er flüsterte ihr ins Ohr.

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