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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselma Heine
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rotgewürfelten Taschentuch eine kleine Halswunde verbinden. Sie schmeichelte ihm. »Hasch mr's iewelg'numme, sale type ?« Sie lachte hell auf. »Awer die han a paar verwitscht. Jo, jo, wann mi d'r Zorn packt, kann i mi grad net losse. I han d'r défaut vom Babbe. Sunscht d'r beschte Mann, aber wenn'r g'soffe het, o Jesses, und wann ihm dann die Mamme alle Schand' sagt, dann git's Gebrüll und Gezänk de ganze Nacht. Sie anzupacken wagt er net, weischt, sie is en Ripp, en alte Katze, die Mamme.« Ihr Lachen dabei klang hell und rein wie ein Glöckchen. Dann verzog sich ihr Mund. »So leb i d'rheim, so sin se, min Babbe un mine Mamme. Woher soll m'r do de douceur herkriegen und de bonté ?« Das starke Mädchen hatte dabei ein Weinen um den Mund wie ein Kind.
    Tjark machte sich hart. »Ich cheh fort, chanz fort von der Fabrik. Das hier paßt mir schon lange nicht mehr.«
    » Ah oui « – sie nahm eifrig seine Hand – »geh mer furt, weit furt. Das is amol ebbes Gescheites gebabbelt! Mir is au schon lang leid in der Fawrik, gradso wie dir.«
    Er achtete nicht auf sie. »Man verhockt und verkäst hier bei euch im Lande. Bei uns ist Krieg! Ich cheh dahin, wo Krieg ist.«
    »Mach' kei Plän'!« Sie schlang die Arme um ihn und küßte ihn. »I hab kei Angscht. Sie nehme dich ja nit. Du bis ja doch der Dreier.« Sie lachte siegesgewiß.
    »Schad' is es do, daß du net Soldat mache kannscht,« meinte sie dann nachdenklich. »Der Monsieur, der bei uns war letztes Jahr in dem Zimmer, in dem du jetzt loschierst, der is im erste Linie-Regiment g'si, im zweite Jahr war er schon Sergeant. Der hätt mei Hochzitter werde könne, kam auch schon in Frack und Schibüs, aber die Mamme hat'n selber gern gehätt. Der is brosseur g'si. Das kannscht au werde.«
    Er sah stier über das Kanälchen hin ins Ferne, als formten sich ihm da lockende Bilder.
    »Oder se cheben mir bei die Tiers was zu tun. Die Beester mach ich chern leiden. Peerde. Suche dunkeln un starken, as da wo ik te Huus bün.« Sein Ton war ganz zärtlich.
    Sie drängte sich wieder an ihn heran. » Eh bien, fais ça . Am End' nimmt di gar d'r General von Meckelen fir sine Stall. Er geht au mit, wann's Krieg git.«
    »Ja, man bi de Franzosen! Nee, ich cheh na Huus.« Sein Kopf war immer noch von ihr abgewendet, die ihn umschlungen hielt.
    Da ließ sie ihn los. Sie warf beide Arme über sich wie eine Unsinnige. »Was willsch? Zu dene sales Prussiens ? Krieg mache willsch gege uns! Charogne! « Sie spuckte aus.
    Er blieb ganz ruhig. Sein Blick, den er jetzt auf sie richtete, war wie aus der Ferne mit Bildern angefüllt, die sie nicht kannte. Und das arme Geschöpf da neben ihm spürte das. Mit ihrer ganzen Kraft riß sie ihn an den Schultern und schüttelte ihn, daß er aufschrie. Er fuhr nach der Halswunde, die wieder blutete, durch das Tuch hindurch. Sie sah es, riß das Tuch herunter, lief zum Wasser, wusch und rang das Tüchlein aus und kam damit zurück, riß Fetzen von ihrer Schürze ab und band ihm die über das nasse Tuch. Alles geschickt und sanft, während sie dabei mit zorniger, lauter Stimme, daß sich aus all den Häuschen Leute ansammelten, unflätige Schimpfworte auf ihn einschrie.
    Als er fertig verbunden war, gab er ihr die Hand. »Nu cheh ich. Un ich dank auch noch vielmals für allens Chute. Un das annre – das soll ich ja wohl verchessen.«
    Er ging durchs Gärtchen in das schmutzige zerfallene Haus hinein, schloß seine Türe zu und kramte eine Weile, während Toinette mit der Faust an die Türe donnerte. Die Mutter lachte, die Kinder johlten. Dann kam er heraus mit einem Köfferchen unter dem Arm und ging starken Schrittes, ohne sich umzusehen, der Kolmarer Straße zu. Die Hunde ringsum bellten ihm nach. Toinette heulte. Die Mutter nahm ein Holzbrettchen, auf dem mit fahler Tinte holperig geschrieben stand: »Schampre karni a louwée.« Dann ging sie ins verlassene Zimmer hinein, beschnupperte die Seife, die zurückgeblieben war, entdeckte einen vergessenen Schal, ein Paar Strümpfe. »Jetzt nimm i numme noch an Franzos, un frai Vrançais ins Loschieh,« sagte sie zu ihrer Zweiten, einer dumm aussehenden,fahlen Zwölfjährigen, der der Speichel auf die Ärmelschürze floß. »A Hochzitter für dich. Du därfsch m'r net mit so Schwowedings afangs wie's Toinette, der dumme Doddel!«
     
    Victor Hugo und Arvède von Meckelen wanderten mit roten Köpfen, Arm in Arm, die stille Klostergasse auf und ab. Sie berieten die Fassung einer Kundgebung, die sie für

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