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Die verborgene Seite des Mondes

Die verborgene Seite des Mondes

Titel: Die verborgene Seite des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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gesprengt werden mussten und dass das Gold mithilfe von hochgiftigem Zyanid gefördert wurde.
    »Warum benutzen die denn Chemikalien?«, fragte Julia.
    Simon beschrieb ihr, was jedes Kind hier in der Gegend wusste: dass man das goldhaltige Gestein mit Maschinen zerkleinerte und danach zu einer Halde aufschüttete, die am Boden durch eine Plas tikplane abgedichtet war. Eine Sprinkleranlage berieselte die Halde mit Zyanidlauge, die das Gold herauslöste. Das Gewicht der Ge steinsbrocken war häufig zu schwer für die Plane, machte sie durch lässig und giftige Zyanidlauge sickerte in den Boden.
    »Zyanid g-gehört zu den am schnellsten wirkenden Giften. Ein T-T-Teelöffel voll kann einen erwachsenen Mann töten.«
    Simon hatte Ada einmal gefragt, was aus dem giftigen Zyanid an schließend werden würde.
    »Sie behaupten, es verschwindet«, hatte die alte Frau verbittert geantwortet. »Sie sagen, es verschwindet in der Luft und du siehst es nie wieder.«
    Inzwischen wusste er, was wirklich damit passierte. Auf dem Ge lände der Goldmine gab es Rückhaltebecken für die giftigen Flüssig abfälle. Deren glänzende Oberfläche lockte jedes Jahr Zugvögel an, die ihre Flugstrecke über das trockene Land wegen der vermeintli chen Seen änderten und jämmerlich darin umkamen.
    Aber das war noch nicht alles. Um die Tagebaugrube trocken zu halten, deren Krater mehrere Hundert Meter unter den Wasserspie gel reichten, wurden täglich Millionen Liter Wasser abgepumpt. Die Folge war, dass Quellen und Bäche in der Umgebung der Goldmine austrockneten. Und das, wo Wasser in dieser Gegend wertvoller war als Gold.
    »F-ür uns Western Shoshone ist das Wasser heilig«, erklärte Simon Julia. »Es ist die Quelle allen Lebens. Mit der Mine vergiften sie u-un ser Land und unser Wasser. Sie vergiften uns. Es ist schmutziges G G-G... Fuck .« Er schluckte grimmig. »Also, es ist schmutziges Gold, was aus der Mine geholt wird.«
    »Ich mag Gold sowieso nicht«, sagte Julia mit rauer Stimme
    Plötzlich war sie es, die verschlossen wirkte und Simon fragte sich, ob er vielleicht etwas Falsches gesagt hatte, weil sie so wütend aussah.
    Warum hat er es mir nicht erzählt?, dachte Julia. Warum hat Pa immer nur von der Schönheit des Landes gesprochen, von seiner Würde? Was sie sah, war eine hässliche Wunde. Die Menschen hatten dem Land jegliche Würde geraubt.
    Sie konnte ihren Blick nicht von der Mine wenden, bis sich der Truck in Serpentinen einen kahlen Berg hinaufarbeitete und die Halde aus ihrem Blickfeld verschwand.
    Oben angekommen, öffnete sich vor ihnen ein weites, mit Beifuß sträuchern und einzelnen Pinien bewachsenes Hochtal. Im Hinter grund erhob sich ein dunkles Bergmassiv, das Ähnlichkeit mit ei nem schlafenden Bären hatte. Eine schnurgerade Schotterpiste durchschnitt das Tal in seiner ganzen Länge. Julia atmete auf. Das war das Land, das ihr Vater ihr beschrieben hatte.
    An einer Weggabelung parkte Simon und stieg aus. Pepper sprang ihm hinterher. Julia kletterte ebenfalls aus dem Truck. Alles war ganz still, flimmernde Hitze lastete über dem silbergrünen Tal.
    Sie folgte Simon, der geradewegs auf einen großen, festgetrete nen Platz inmitten der kniehohen Sträucher zustrebte. Aus den Ge säßtaschen seiner Jeans winkten beim Gehen die Finger seiner Ar beitshandschuhe und Pepper schnappte nach ihnen. Simon bückte sich nach einem Stock, schleuderte ihn durch die Luft und Pepper flitzte los, um ihn zurückzuholen.
    Neugierig sah Julia sich um. Sie entdeckte eine große Feuerstelle und das bienenkorbartige Weidengerüst einer Schwitzhütte. Das musste der Versammlungsplatz sein. Hier würde die Abschiedszere monie für ihren Vater stattfinden.
    Julia fragte sich, ob er oft hierhergekommen war, an diesen einsa men Ort. John Temoke war ein Jäger und Sammler gewesen, wie sei ne Vorfahren. Wenn er mit Julia in Deutschland durch die Wälder und Hügel hinter der Stadt gelaufen war, hatte er immer etwas gesam melt. Pilze, Beeren oder Nüsse. Besondere Steine oder Holzstücke.
    Julia riss sich aus ihren Gedanken und sah zu Simon hinüber. Er hatte den Spaten vom Truck geholt und schaufelte das Feuerloch frei, in das während der Wintermonate Erde gerutscht war. Dann überprüfte er sämtliche Wege, das Gerüst der Schwitzhütte und an dere Stellen, die für das Wochenende von Bedeutung zu sein schie nen.
    Julia beobachtete, wie er sich ab und zu bückte, einen Stein vom Boden aufhob, ihn versonnen betrachtete und dann behutsam

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