Die verborgene Seite des Mondes
Gewitterwolken zu sammen, so wie jeden Nachmittag. Seit drei Wochen hatte es nicht mehr geregnet. Land und Tiere brauchten den Regen dringend.
Ein mächtiger Blitz zuckte über den Himmel und Julia zeigte auf die schwarzen Gewitterwolken. »Habt ihr das gesehen?«
Der Großvater griff nach ihrer Hand. »Nicht drauf zeigen«, sagte er. »Das sind mächtige Geister, die mögen das nicht.«
Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Julia, wie Simon in sich hineingrinste.
Das Gewitter hatte sich verzogen, ohne dass auf der Ranch ein Tropfen gefallen wäre. Die unbefestigte Piste war staubig wie die Tage zuvor.
Simon parkte den alten Truck zwischen einem blauen Jeep und ei nem kirschroten Van. Die Fernsehleute waren also noch da.
Der alte Mann verzog sich gleich in seinen Schuppen, ohne das Haus überhaupt betreten zu haben. Simon und Julia trugen die Le bensmittel in die Küche und verstauten sie im Kühlschrank und in den Regalen.
Ada saß mit einem weißbärtigen Mann am Küchentisch und zeigte Fotos in einem Familienalbum. Ein jüngerer Mann mit Halbglatze stand hinter der Kamera und filmte. Ein riesiges Mikrofon, das aus sah wie das Bein eines Plüschteddys, war auf Adas ledernes Gesicht gerichtet.
Julia war völlig verblüfft. Ihre Großmutter schien plötzlich ein an derer Mensch zu sein. Bereitwillig beantwortete sie die Fragen der Männer und lachte herzlich, wenn sie Scherze machten.
Simon verschwand schneller wieder aus der Küche, als Julia ihm hinterhersehen konnte. Sie stand noch eine Weile schweigend an die Spüle gelehnt, dann hatte sie das Gefühl zu stören und verließ das Haus ebenfalls.
Sie ging in ihren Trailer, legte sich aufs Bett und las in Winnie Pu und seine Freunde . Als sie ein Fahrzeug davonfahren hörte, warf sie einen Blick aus dem Fenster. Endlich verließ der rote Van der Film leute die Ranch.
Julia machte sich gleich auf den Weg zurück ins Haus, denn dies mal wollte sie das Abendessen kochen, aus frischem Gemüse und nicht aus der Dose, wie Ada es meist zu tun pflegte, obwohl sie ei nen Gemüsegarten hatte.
Verwundert stelle Julia fest, dass der blaue Jeep noch da stand. In der Küche fand sie eine beängstigend gut gelaunte Großmutter vor.
»Ich werde heute kochen«, sagte sie.
»Sehr gut«, bemerkte Ada.
»Bleiben die Filmleute zum Essen?«
»Die sind weg.«
»Und der Jeep?«
»Gehört mir.« Demonstrativ hielt sie die Autoschlüssel in die Hö he.
»Sie haben den ausgebrannten Kombi gesehen und mich gefragt, was passiert ist. Es war ihre Idee, mir den Jeep zu überlassen.«
Während Julia Gemüse für ihren Auflauf putzte und schnippelte, dachte sie darüber nach, dass so etwas wohl nur in Amerika passie ren konnte: Von einer Minute auf die andere ein Auto geschenkt zu bekommen. Ada hatte das Geschenk der Fernsehleute ganz selbst verständlich angenommen. Wahrscheinlich war das ihre Devise: Das Leben teilt aus und es steckt ein. Ada hatte ihren Kombi zwar geliebt, aber der Jeep war neueren Baujahrs und hatte eine Klimaan lage. Wie dem auch sei, urplötzlich war der Frieden auf der Ranch wiederhergestellt.
Schon bald zog ein köstlicher Duft durch Küche und Wohnzimmer und Julia deckte den Tisch, damit sie gemeinsam essen konnten. Das war zwar nicht üblich in diesem Haus, aber sie versuchte es dennoch.
Der Auflauf sah perfekt aus, als sie ihn aus dem Backofen holte. Ju lia freute sich, dass er in Adas altem Gasherd so gut gelungen war. Aber Simon, der sonst immer pünktlich zum Essen erschien, kam nicht zur üblichen Zeit. Und Adas Essen wurde auf dem Teller kalt, weil sie erst Tommy füttern musste. Dem schmeckte der Auflauf nicht (es war Schafskäse drin) und Ada kochte ihm einen Haferbrei. Der alte Mann stocherte mit der Gabel zwischen Gemüse und Kartoffeln herum. Er murmelte etwas von Hasenfutter, aß jedoch tapfer seinen Teller leer.
Als Julia den Tisch abräumen wollte, kam Simon und sah sich miss trauisch in der Küche um.
»Sie sind weg«, sagte Julia.
»Und der Jeep?«
»Den haben sie dagelassen«, bemerkte Ada.
»Für w-ie lange?«
»Für immer.«
Julia sah Simons ungläubige Erleichterung darüber, dass ihre Großmutter – sein Boss – wieder einen fahrbaren Untersatz hat te.
Ada stand auf und kratzte die Reste des kalten Auflaufs in den Ei mer mit dem Hühnerfutter. Dann setzte sie Wasser für den Abwasch auf.
»Ich mach das«, sagte Simon, der ein sichtlich schlechtes Gewissen hatte.
»Nein, ich wasche ab«, warf Julia ein. »Ich habe das
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