Die verborgene Seite des Mondes
Chaos schließ lich auch verursacht.«
»Einigt euch«, brummte Ada.
Simon stellte sich an die Spüle und sortierte Teller und Töpfe nach dem Grad ihrer Verschmutzung. Seinem Gesicht nach zu urteilen, gehörte Abwaschen nicht zu den Arbeiten, die er gerne erledigte. Doch wie immer tat er, was getan werden musste.
Julia trocknete die Gläser und ein paar Teller ab, dann brachte sie den Eimer mit dem Hühnerfutter nach draußen. Als sie zurückkam, war der schmutzige Geschirrberg verschwunden. Simon ließ seine Hand über den Boden der Spüle gleiten, um nach den letzten Besteckteilen zu fischen. Das Spülwasser war undurchsichtig grau und auf der Oberfläche schwammen gelbe Fettaugen. Er ließ es ablaufen und es verschwand mit einem gurgelnden Geräusch im Abfluss. Aufatmend rieb Simon seine Hände an der Hose trocken.
»Danke«, sagte Julia.
»Danke wofür?«, fragte er.
»Für alles.«
Simon zog sich in seinen Wohnwagen zurück. Als auch Julia das Haus verlassen und schlafen gehen wollte, klingelte plötzlich das Telefon.
»Deine Mutter«, sagte Ada und reichte Julia das Handy.
»Hallo Ma.«
»Hallo, mein Schatz, wie geht es dir?«
»Bestens.« Ich bin gestern mit Grannys Auto gefahren und es ist uns un ter dem Hintern weggebrannt. »Wir waren heute in Elko einkaufen. Ich habe gekocht. Papas berühmten Gemüseauflauf. War nicht so der Renner.« Sie hörte ihre Mutter am anderen Ende der Leitung lachen. »Was ist mit dir, Ma? Geht es dir gut bei Kate?«
»Ja, es ist herrlich hier. Heute waren wir am Strand. Kate kümmert sich die ganze Zeit rührend um mich. Schade, dass du nicht hier bist. Es würde dir gefallen. Sie hat ein schickes, kleines Haus mit al lem Komfort.«
Julia ließ ihren Blick durch die Küche ihrer Großeltern schweifen. Über den fleckigen, schadhaften Fußboden, die mit Klebeband ge flickten Polster der Küchenstühle, die Decke, von der die Isolation herunterhing. Für einen winzigen Moment hätte sie gerne mit ihrer Mutter getauscht.
»Bereust du es schon, dageblieben zu sein?«, fragte Hanna, als ob sie Julias Gedanken hören konnte.
»Nein, überhaupt nicht. Ich bin gerne hier.«
»Na dann. Grüß Ada und Boyd von mir. Und Simon natürlich.«
»Mach ich.«
»Bye, Julia.«
»Bye, Ma.« Sie steckte das Handy wieder ins Ladegerät und setzte sich an den Küchentisch.
Ada putzte Tommy die Zähne, eine Prozedur, die jedes Mal mit viel Gezeter verbunden war. Der Großvater holte sich wie jeden Abend ein Stück Schokolade aus dem Kühlschrank und setzte sich noch einen Moment zu Julia.
»Hast du mit deiner Mutter telefoniert?«, fragte er.
Sie nickte.
»Wie geht es ihr?«
Sie zog ein Blatt Papier heran und schrieb: Gut. Sie hat Spaß mit ih rer Freundin.
»Und was ist mit dir? Hast du Spaß?«
Julia schrieb: Das brennende Auto war kein Spaß .
»Es gibt Schlimmeres.«
Simon konnte nichts dafür.
Boyd sah seine Enkeltochter aufmerksam an. »Du magst unseren Cowboy, nicht wahr?«
Sie nickte. Weißt du, woher Simon seine Narbe hat? , schrieb sie auf den Zettel. Weißt du, ob seine Eltern noch leben und was er gemacht hat, bevor er auf die Ranch kam?
Der alte Mann las, dann sah er Julia an und schüttelte den Kopf. »Ich kann dir deine Fragen nicht beantworten. Simon redet nicht über diese Dinge. Wenn du mehr über ihn wissen willst, musst du ihn schon selbst fragen. Bestimmt hat er Antworten für dich. Ich weiß, Simon mag dich. Ich erkenne es an seinen Augen, wenn er dich ansieht.«
Als der alte Mann das sagte, musste Julia an ihren Vater denken. Boyd hatte dieselbe Art, anderen Mut zu machen, die sie an ihrem Vater so geliebt hatte.
Julia umarmte ihren Großvater und er klopfte ihr liebevoll auf die Schulter. Gute Nacht, Grandpa , schrieb sie.
»Schlaf gut, meine Kleine«, sagte der Alte.
16.
D en ganzen nächsten Tag über konnte Julia an nichts anderes den ken als daran, was ihr Großvater gesagt hatte. Ich weiß, Simon mag dich .
Ihr Verstand schwirrte, dass ihr davon schwindelte. Wie lange war es her, dass ihre Mutter sie davor gewarnt hatte, sich zu verlieben? Vier Tage oder fünf? Hundert Jahre? War sie eine andere gewor den? Etwas war mit ihr geschehen. In ihrem Innersten hatte sich ein Raum geöffnet. Sie stand an der Schwelle und wagte nicht einzutre ten. Vielleicht, weil sie so wenig über Simon wusste. Sie kannte die Welt nicht, aus der er kam, und wusste nicht, welcher Art die Ge heimnisse waren, die er mit sich herumtrug.
Hatte er sie wirklich
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