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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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Tischen. Wir schlenderten umher und hielten Ausschau nach verschiedenen Gelbtönen, die einzige Vorgabe der Braut, wie Renata mir mitteilte. Sie wünschte sich sonnenscheinfarbige Blumen, nur für den Fall, dass es regnete. Der Himmel war zwar trocken, aber grau; sie hätte im Juni heiraten sollen.
    »Seine Bude ist sonntags geschlossen«, merkte Renata im Gehen an und wies in Richtung des geheimnisvollen Blumenhändlers.
    Doch als wir uns seinem leeren Stand näherten, kam eine Gestalt im Kapuzenpulli in Sicht, die, an die Wand gelehnt, auf einem Hocker saß. Bei meinem Anblick stand er auf und beugte sich über die nicht mit Blumen bestückten Eimer, so dass er sich in den ruhigen runden Wasserflächen spiegelte. Aus der Tasche seines Sweatshirts zog er etwas Grünes, Stacheliges und hielt es hoch.
    Renata begrüßte ihn, während wir vorbeispazierten. Ich nahm seine Gegenwart nur zur Kenntnis, indem ich, den Blick weiter zu Boden gesenkt, die Hand ausstreckte und nach dem Mitbringsel griff. Erst als ich wohlbehalten hinter der nächsten Ecke und außer Sichtweite war, schaute ich in meine Hand.
    Ovale graugrüne Blätter wuchsen aus einem Gewirr limettengrüner Zweige. Durchsichtige Kugeln hingen wie Regentropfen daran. Der Schössling passte genau in meine Handfläche. Die weichen Blätter scharrten an meiner Haut.
    Ein Mistelzweig.
    Ich überwinde alle Hürden.

9.
    M eine Kratzwunden bildeten über Nacht Krusten, die mit den dünnen Baumwolllaken verklebten. Als ich aufwachte, brauchte ich einen Moment, um den Ursprung des brennenden Schmerzes in meinem Körper zu orten, und ich erinnerte mich nicht einmal mehr daran, wie ich mir die Verletzung zugezogen hatte. Abwartend kniff ich die Augen zu, und da stürmte es wieder auf mich ein: die Dornen, der Löffel, die lange Fahrt und Elizabeth. Mit einem Ruck zog ich die Hände unter der Decke hervor und betrachtete meine Handflächen. Die Wunden waren wieder aufgerissen. Frisches Blut rann heraus.
    Es war früh und noch dunkel. Ich tastete mich den Flur entlang zum Bad, wobei meine Hände auf allem, was ich berührte, schmierige Flecken hinterließen. Elizabeth war schon wach und angezogen. Sie saß am Frisiertisch und schaute in den Spiegel, als wolle sie sich schminken. Allerdings befand sich kein Schminkzeug auf dem Tisch, nur eine halbleere Cremedose. Sie tauchte den Ringfinger mit seinem kurzen stumpfen Nagel in die Creme und verteilte sie unter ihren braunen Augen, auf die markanten Wangenknochen und den Rücken ihrer geraden Nase. Elizabeths Haut war faltenlos und strahlte die dunkle Wärme des Sommers aus. Vermutlich war sie viel jünger, als sie mit ihrer hochgeschlossenen Bluse und dem in der Mitte gescheitelten und festgesteckten Haar wirkte.
    Bei meinem Anblick drehte sie sich um, so dass sich ihr Profil scharf im Spiegel abzeichnete.
    »Wie hast du geschlafen?«, fragte Elizabeth.
    Ich trat vor und hielt ihr die Hände so dicht vors Gesicht, dass sie sich zurücklehnen musste, um richtig sehen zu können.
    Sie schnappte nach Luft. »Warum hast du mir das nicht schon gestern Abend gesagt?«
    Ich zuckte die Achseln.
    Elizabeth seufzte. »Nun, dann gib mir deine Hände. Ich möchte nicht, dass sie sich entzünden.«
    Sie klopfte auf ihren Schoß, damit ich mich setzte, aber ich wich zurück. Elizabeth holte eine kleine Schüssel unter dem Waschbecken hervor, füllte sie mit Peroxyd und tauchte meine Hände nacheinander hinein. Dabei musterte sie mein Gesicht und hielt Ausschau nach Anzeichen dafür, dass ich Schmerzen hatte, doch ich biss die Zähne zusammen und zuckte nicht mit der Wimper. Meine Wunden wurden weiß und schaumig. Elizabeth kippte die Schüssel aus, füllte sie erneut und tauchte meine Hände wieder ein.
    »Ich werde dir hier nichts durchgehen lassen«, verkündete sie. »Aber wenn du den Löffel nach einem ernstgemeinten Versuch nicht gefunden hättest, wäre ich auch mit einer aufrichtigen Entschuldigung zufrieden gewesen.« Ihr Tonfall war streng und direkt. In meiner Schlaftrunkenheit und wegen der frühen Stunde fragte ich mich, ob ich mir die sanfte Stimme vom Vorabend nur eingebildet hatte.
    Wieder badete sie meine Hände und beobachtete zum dritten Mal, wie weiße Bläschen aufstiegen. Dann hielt sie meine Hände unter kaltes Wasser und tupfte sie mit einem sauberen weißen Handtuch trocken. Die kleinen Einstiche sahen tief und leer aus, als hätte das Peroxyd kreisrunde Stellen in die Haut gefressen. Elizabeth wickelte weiße Gaze

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