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Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Die verborgene Sprache der Blumen / Roman

Titel: Die verborgene Sprache der Blumen / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Diffenbaugh
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dunklen Einsamkeit.
    Bei ihrer Rückkehr legte ich gerade letzte Hand an mein Werk, entfernte Pollen und schnitt mit einer scharfen Schere hin und wieder ein abstehendes Blatt heraus. Renata betrachtete meine Sträuße und wies mit dem Kopf auf die Menschenmassen hinter ihr.
    »Ich fange mit der Hochzeitsgesellschaft an, du kümmerst dich um den Laden.« Sie reichte mir eine laminierte Preisliste und den kleinen goldenen Schlüssel zur Kasse. »Und bilde dir bloß nicht ein, ich wüsste nicht genau, wie viel drin ist.«
    Earl stand bereits an der Theke und winkte mir zu. Ich ging zu ihm hinüber.
    »Für meine Frau«, sagte er. »Hat Renata es Ihnen nicht erzählt? Ich habe nur ein paar Minuten und möchte, dass Sie etwas aussuchen, das sie glücklich macht.«
    »Glücklich?«, wiederholte ich und ließ den Blick über die verfügbaren Blumen schweifen. »Können Sie das nicht ein wenig genauer ausdrücken?«
    Earl neigte den Kopf zur Seite und dachte einen Moment nach. »Wissen Sie, wenn ich es mir genauer überlege, war sie eigentlich nie wirklich
glücklich
.« Er lachte in sich hinein. »Aber sie war leidenschaftlich. Und klug. Und interessiert. Sie hatte zu allem eine Meinung, selbst zu Dingen, von denen sie keine Ahnung hatte. Das fehlt mir.«
    Auf diese Bitte hatte ich mich vorbereitet. »Ich verstehe«, antwortete ich und machte mich an die Arbeit. Ich knipste die einzelnen Zweige des Immergrüns an der Wurzel ab, bis sie lang und schlaff herunterhingen. Dann nahm ich ein Dutzend grellweißer Chrysanthemen und wickelte das Immergrün fest um die Stengel wie ein Band und benutzte Blumendraht, um den dichten Bodendecker zu lockeren Schlaufen rings um die vielschichtigen Chrysanthemenblüten zu formen. Das Ergebnis war wie ein Feuerwerk, atemberaubend und prächtig.
    »Nun, das wird sicher eine Reaktion auslösen«, meinte Earl, als ich ihm die Blumen gab. Er reichte mir zwanzig Dollar. »Der Rest ist für Sie, meine Liebe.« Ich konsultierte Renatas Preisliste, legte den Zwanziger in die Kasse und nahm mir einen Fünfer heraus.
    »Danke«, sagte ich.
    »Bis nächste Woche«, rief Earl.
    »Vielleicht«, antwortete ich, aber er war schon zur Tür hinaus und knallte sie hinter sich zu.
    Im Laden wimmelte es von Kundschaft, und ich wandte mich dem Nächsten in der Warteschlange zu. Ich wickelte Rosen, Orchideen und Chrysanthemen in allen Farben ein und verkaufte Sträuße an Paare, ältere Damen und Jugendliche, die Besorgungen machten. Bei der Arbeit dachte ich an Earls Frau und versuchte, mir die früher leidenschaftliche Frau und ihr erschöpftes, in sich zurückgezogenes und ahnungsloses Gesicht vorzustellen. Würde sie auf den auffälligen Strauß aus Chrysanthemen und Immergrün ansprechen?
Wahrheit
und
zärtliche Erinnerung
. Ich war überzeugt, dass der Strauß seine Wirkung nicht verfehlen würde, und malte mir Earls erleichterte und dankbare Miene aus, während er Teewasser aufsetzte und die meinungsstarke Frau, die er so sehr vermisst hatte, in eine Diskussion über Politik und Dichtung verstrickte. Das Bild sorgte dafür, dass meine Finger sich bei der Arbeit schneller bewegten und meine Schritte leichter wurden.
    Als der Laden sich gerade leerte, war Renata mit den Sträußen für die Hochzeitsgesellschaft fertig.
    »Belade den Laster«, wies sie mich an. Ich transportierte die Blumen zu dem Laster, so schnell ich konnte, denn es war schon fast zwei. Renata setzte sich ans Steuer und sagte, ich solle mich bis zu ihrer Rückkehr in einer Stunde um den Laden kümmern.
     
    Die Auslieferung dauerte viel länger, als Renata gedacht hatte. Um halb sechs kam sie, lauthals schimpfend über Anstecksträußchen und Frackfliegen, ins Flora gestürmt. Ich schwieg und wartete darauf, dass sie mich bezahlte, damit ich gehen konnte. Schließlich hatte ich zwölf Stunden ohne Pause gearbeitet und freute mich auf ein Zimmer zum Abschließen und vielleicht sogar ein Bad. Doch Renata griff nicht in ihre Handtasche.
    Am Ende ihrer erbitterten Tirade angelangt, öffnete sie die Kasse und wühlte in zerknitterten Scheinen, Schecks und Quittungen. »Ich habe nicht genug Bargeld da«, sagte sie. »Auf dem Weg zum Abendessen gehe ich zur Bank. Komm mit. Wir müssen über Geschäftliches reden.«
    Obwohl ich lieber ihr Geld genommen hätte und in die Nacht geflohen wäre, folgte ich ihr nach draußen. Schließlich wusste ich um meine Abhängigkeit.
    »Zum Mexikaner?«, fragte sie.
    »Ja.«
    Sie steuerte auf den Mission

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