Die verborgenen Fruechte
richtigen Namen und genoß es. Ich fühlte mich wie befreit. ›Du bist wie eine Tigerin‹, erklärte er. ›Ich liebe das.‹ Als wir unseren Ringkampf beendet hatten, waren wir beide völlig erschöpft. Wir fielen aufs Bett. Meine lange Hose war zerrissen, der Gürtel geplatzt. Meine Bluse hing heraus. Gemeinsam lachten wir darüber. Er schenkte sich noch einen Drink ein. Ich lag keuchend da. Dann barg er seinen Kopf unter meinem Hemd und begann meinen Bauch zu küssen; gleichzeitig zog er langsam meine Hose herunter.
Plötzlich klingelte das Telefon; ich zuckte zusammen. Wer konnte das sein? Ich kannte niemanden in Shanghai. Ich nahm den Hörer ab; es war mein Mann. Irgendwie hatte er herausgefunden, wo ich steckte. Er redete und redete. Mittlerweile hatte sich mein Freund von der Überraschung des Anrufs erholt und setzte seine Liebkosungen fort. Es machte mir großes Vergnügen, mit meinem Mann zu sprechen, seine Bitten um meine Heimkehr anzuhören… und all das, während sich mein betrunkener Freund sämtliche Frechheiten bei mir herausnahm, nachdem es ihm gelungen war, meine Hose herunterzuziehen: mich zwischen den Beinen biß, indem er meine Lage auf dem Bett ausnutzte, mich küßte, meine Brüste liebkoste. So intensiv war dieser Genuß, daß ich das Gespräch in die Länge zog.
Ich diskutierte alles mit meinem Mann. Er versprach, die Dienstmädchen fortzuschicken, wollte zu mir ins Hotel kommen.
Ich erinnerte mich an alles, was er mir angetan hatte, in diesem Zimmer neben dem meinen, an seine Gefühlsroheit bei seiner Untreue. Und da überfiel mich ein teuflischer Impuls. ›Ich verbiete dir, herzukommen‹ sagte ich zu meinem Mann. ›Ich lebe mit einem anderen zusammen. Er liegt hier neben mir und liebkost mich, während ich mit dir telefoniere.‹
Ich hörte, wie mich mein Mann mit den übelsten Ausdrücken beschimpfte. Ich war glücklich. Ich legte den Hörer auf und ließ mich unter den kraftvollen Körper meines neuen Freundes sinken.
Dann begann ich mit ihm zu reisen…«
Der Schirokko hatte die Tür abermals aufgestoßen, und die Frau erhob sich, um sie zu schließen. Allmählich legte sich der Wind; dies war eine letzte, heftige Bö gewesen. Die Frau setzte sich wieder. Ich dachte, sie werde weitererzählen. Ich war neugierig auf ihren jungen Gefährten. Aber sie schwieg. Nach einer Weile verabschiedete ich mich. Als wir uns am nächsten Tag auf dem Postamt begegneten, schien sie mich nicht einmal mehr zu kennen.
Die Maja
Der Maler Novalis war jung verheiratet mit Maria, einer Spanierin, in die er sich verliebt hatte, weil sie dem Gemälde glich, das ihm von allen am liebsten war: der »Nackten Maja« von Goya.
Sie zogen nach Rom. Als Maria das Schlafzimmer sah, klatschte sie voll kindlicher Freude in die Hände und bewunderte die luxuriösen venezianischen Möbel mit ihrer wundervollen Einlegearbeit in Perlmutt und Elfenbein.
In jener ersten Nacht auf dem monumentalen Bett, für die Frau eines Dogen gemacht, bebte Maria vor Lust und streckte die Glieder, bevor sie sie unter den feinen Laken verbarg. Die rosigen Zehen ihrer zierlichen Füßchen bewegten sich, als riefen sie nach Novalis.
Doch nicht ein einziges Mal zeigte sie sich ihrem Ehemann vollständig entkleidet. Denn erstens war sie Spanierin, zweitens Katholikin und drittens durch und durch spießbürgerlich. Bevor miteinander geschlafen wurde, mußte das Licht gelöscht werden.
Novalis, der vor dem Bett stand, betrachtete sie mit zusammengezogenen Brauen, beherrscht von einem Wunsch, den auszusprechen er sich scheute. Er wollte sie sehen, sie bewundern. Trotz jener Nächte im Hotel, in denen sie auf der anderen Seite der dünnen Wände fremde Stimmen hören konnten, kannte er sie noch immer nicht ganz. Was er erbat, war nicht die Laune eines Liebenden, sondern der Wunsch eines Malers, eines Künstlers. Seine Augen hungerten nach ihrer Schönheit. Maria weigerte sich errötend, ein wenig böse, weil ihre zutiefst eingewurzelten Vorurteile verletzt wurden.
»Sei nicht dumm, liebster Novalis«, sagte sie. »Komm zu Bett.«
Aber er ließ sich nicht abweisen. Sie müsse ihre kleinbürgerlichen Skrupel überwinden, erklärte er. Die Kunst spotte über solche Schamhaftigkeit, die menschliche Schönheit sei dazu bestimmt, in all ihrer Majestät offen gezeigt und nicht versteckt, verachtet zu werden.
Seine Hände, gehemmt von der Furcht, ihr wehzutun, zerrten sanft an ihren schwachen Armen, die sie vor der Brust gekreuzt
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