Die verborgenen Fruechte
wiederzusehen, staunte über meinen Entschluß und war bereit, mir zu helfen. Und während ich launig von mir selbst berichtete, meine Vorzüge aufzählte, sagte ich unter anderem, ein Maler habe uns in der vorletzten Woche besucht und behauptet, ich besäße ein exotisches Gesicht. Meine Freundin sprang auf.
»Ich hab's!« rief sie. »Ich weiß, was du tun kannst. Es stimmt, du hast wirklich ein außergewöhnliches Gesicht. Also, ich kenne da einen Kunstclub, wo sich die Maler ihre Modelle holen. Dort werde ich dich einführen. Der Club ist eine Art Schutzorganisation für die Mädchen, die dadurch nicht mehr von Atelier zu Atelier ziehen müssen. Die Künstler sind im Club registriert, sind dort bekannt, und wenn sie ein Modell benötigen, rufen sie an.«
Als wir im Club in der Fifty-seventh Street eintrafen, gab es dort viel Betrieb und eine Menge Leute. Wie sich herausstellte, wurden gerade die Vorbereitungen für die alljährliche Show getroffen. Jedes Jahr einmal wurden sämtliche Modelle in die Kostüme gesteckt, die ihnen am besten standen, und den Künstlern vorgestellt. Ich wurde gegen einen kleinen Obolus registriert und sofort zu zwei älteren Damen nach oben geschickt, die mich ins Kostümzimmer führten. Eine von ihnen wählte ein Kostüm aus dem achtzehnten Jahrhundert für mich. Die andere befestigte meine Haare über den Ohren. Sie zeigte mir, wie ich meine Wimpern tuschen mußte. In den Spiegeln sah ich mich völlig verändert. Die Probe lief weiter. Ich mußte hinuntergehen und im ganzen Raum umherschreiten. Das fiel mir nicht schwer. Es war wie ein Maskenball.
Am Tag der Show waren alle sehr nervös. Von diesem Auftritt hing weitgehend der Erfolg der Modelle ab. Mit zitternder Hand färbte ich mir die Wimpern. Man drückte mir eine Rose in die Hand, und ich kam mir ein bißchen albern vor. Draußen wurde ich von Applaus begrüßt. Nachdem alle Mädchen langsam durch den Raum geschritten waren, unterhielten sich die Maler mit uns, notierten sich unsere Namen, verabredeten Sitzungen. Mein Terminkalender war so voll wie eine Tanzkarte.
Am Montag um neun sollte ich mich im Atelier eines bekannten Malers einfinden; um eins im Atelier eines Illustrators; um vier im Atelier eines Miniaturmalers, und so weiter. Es gab auch Malerinnen. Die erhoben Einwand dagegen, daß wir Make-up verwendeten. Sie behaupteten, wenn sie ein geschminktes Modell engagierten und es sich auf ihre Anweisung dann vor dem Posieren abschminkte, sehe es völlig anders aus. Aus diesem Grund posierten wir nicht so gern für Frauen.
Zu Hause schlug meine Erklärung, ich sei Malermodell geworden, wie eine Bombe ein. Aber es war nun mal geschehen. Ich konnte fünfundzwanzig Dollar die Woche verdienen. Meine Mutter weinte ein wenig, war im Grunde aber zufrieden.
An jenem Abend plauderten wir noch im Dunkeln. Ihr Zimmer lag neben dem meinen, und die Verbindungstür stand offen. Meine Mutter machte sich Sorgen über die Frage, was ich über das Geschlechtsleben wußte (oder nicht wußte).
Die Summe meiner Kenntnisse war folgende: daß ich mich, unten am Strand im Sand liegend, schon oft von Stephen hatte küssen lassen. Er hatte sich auf mich gelegt, und ich hatte gespürt, wie sich etwas Dickes, Hartes an mich preßte, aber das war auch alles, und als ich nach Hause kam, hatte ich zu meiner größten Verwunderung entdeckt, daß ich zwischen den Beinen feucht war. Meiner Mutter gegenüber hatte ich nichts davon erwähnt. Persönlich hatte ich den Eindruck, daß ich ein sehr sinnliches Mädchen, daß dieses Feuchtwerden zwischen den Beinen beim Küssen der Beweis für gefährliche zukünftige Neigungen sei. Ich kam mir tatsächlich vor wie eine Hure.
Meine Mutter erkundigte sich: »Weißt du, was geschieht, wenn ein Mann eine Frau nimmt?«
»Nein«, antwortete ich, »aber ich würde zunächst mal gern wissen, wie ein Mann eine Frau nimmt.«
»Nun ja, weißt du, der kleine Penis, den du an deinem Bruder gesehen hast, als du ihn baden durftest – der wird ganz groß und hart, und der Mann schiebt ihn in die Frau hinein.«
Das fand ich abscheulich. »Es muß aber ziemlich schwierig sein, ihn hineinzubekommen«, meinte ich.
»Nein, denn zuvor wird die Frau feucht, deshalb gleitet er leicht hinein.«
Jetzt verstand ich das Rätsel meines Feuchtwerdens.
Wenn dem so ist, dachte ich mir, werde ich niemals vergewaltigt werden können, denn um feucht zu werden, muß man den Mann mögen. Wenige Monate zuvor war ich im Wald stürmisch von
Weitere Kostenlose Bücher