Die verborgenen Fruechte
stand er vor dem Bett mit der schlafenden Maria. Es war ihm gelungen, ihre Beine ein wenig zu spreizen, so daß er die Linie dazwischen sah. Während er ihre ungezwungene Pose, ihre geöffneten Beine betrachtete, befingerte er sein Geschlecht – abermals in der Vorstellung, sie liebkose ihn. Wie oft hatte er ihre Hand an seinen Penis geführt, hatte versucht, ihr diese Zärtlichkeit abzuringen, und jedesmal war sie angewidert gewesen und hatte ihre Hand zurückgezogen. Jetzt umschloß er den Penis mit seiner eigenen starken Hand.
Maria merkte schon bald, daß sie seine Liebe verloren hatte. Und wußte nicht, wie sie sie zurückgewinnen sollte. Ihr wurde klar, daß er ihren Körper nur liebte, wie er ihn malte.
Dann wandte er sich einer Kunstform zu, die er bisher noch nicht erprobt hatte. Er machte eine Skulptur von ihr, lebensgroß und verblüffend ähnlich. Die Gestalt lag schlafend da.
Maria fuhr für eine Woche zu Freunden aufs Land. Nach ein paar Tagen jedoch fühlte sie sich krank und kehrte heim, um ihren Arzt aufzusuchen. Als sie das Haus betrat, wirkte es unbewohnt. Auf Zehenspitzen schlich sie zum Atelier. Kein Laut. Nun redete sie sich ein, Novalis schlafe mit einer anderen Frau. Sie näherte sich der Tür. Langsam, lautlos wie ein Dieb öffnete sie die Tür. Und sah folgendes: mitten im Atelier eine Statue von ihr: und darauf, sich an ihr reibend, ihr Mann, nackt, mit wirrem Haar, wie sie es nie an ihm gesehen hatte, und mit erigiertem Penis. Wollüstig rieb er sich an der Statue, küßte sie, liebkoste sie zwischen den Beinen. Er lag auf ihr, wie er auf Maria noch nie gelegen hatte. Die Statue schien ihn rasend zu machen, und überall um ihn herum standen Bilder von ihr: nackt, üppig, schön. Er warf den Bildern leidenschaftliche Blicke zu und fuhr fort, die Statue zu umarmen. Er feierte eine Orgie mit ihr, mit einer Ehefrau, die er in Wirklichkeit nicht kannte. Bei diesem Anblick flammte Marias sonst unterdrückte Sinnlichkeit auf – zum allererstenmal befreit. Als sie ihre Kleider abwarf, entdeckte sich ihm eine neue Maria, hingebungsvoll wie auf den Bildern, eine vor Leidenschaft entbrannte Maria, die ihren Körper ohne Scham, ohne Zögern all seinen Umarmungen darbot und die Bilder, die Statue aus seinem Gefühl zu verdrängen, sie zu übertrumpfen suchte.
Ein Malermodell
Meine Mutter hatte, was junge Mädchen betraf, europäische Vorstellungen. Ich war sechzehn. Noch nie war ich allein mit einem jungen Mann ausgegangen, hatte nie etwas anderes als literarische Romane gelesen und war freiwillig nicht so wie die anderen Mädchen meines Alters. Ich war, was man als »behütet« bezeichnen würde, ganz ähnlich wie so manche Chinesinnen unterrichtet in der Kunst, das Beste aus den abgelegten Kleidern zu machen, die mir eine reiche Cousine schickte, im Singen und Tanzen, im Schreiben mit eleganter Hand, im Lesen der anspruchsvollsten Bücher, in intelligenter Konversation, im Arrangieren meiner Haare zu schönen Frisuren, im Pflegen meiner Hände, damit sie zart und weiß blieben, im Benutzen ausschließlich des feinsten Englisch, das ich nach meiner Ankunft aus Frankreich gelernt hatte, in größter Höflichkeit gegenüber anderen Menschen.
Dies war es, was von meiner europäischen Erziehung übrigblieb. Aber in einer anderen Hinsicht glich ich durchaus den Orientalen: lange Perioden sanftmütigen Verhaltens wurden gefolgt von fast gewalttätigen Ausbrüchen, von Launen und Rebellion oder raschen Entschlüssen und spontanem Handeln.
Unvermittelt beschloß ich, arbeiten zu gehen – ohne jemanden um Rat zu fragen oder um Zustimmung zu bitten. Ich wußte, daß meine Mutter dagegen sein würde.
Ich war kaum einmal allein nach New York gefahren. Jetzt wanderte ich durch die Straßen, um mich auf alle möglichen Annoncen zu melden. Meine Fertigkeiten waren nicht sehr praktischer Natur. Ich verstand mich auf Sprachen, aber nicht aufs Maschineschreiben. Ich hatte spanischen Tanz gelernt, nicht aber die neuen Modetänze. Wo ich mich auch vorstellte, niemals flößte ich Vertrauen ein. Ich wirkte jünger, als ich war, und außerdem übersensibel, überzart. Ich sah aus, als sei ich ganz und gar unbelastbar, aber das war nur äußerlich.
Nach einer Woche hatte ich nichts erreicht außer dem Gefühl, niemandem von Nutzen zu sein. Daraufhin suchte ich eine Freundin der Familie auf, die mich ins Herz geschlossen hatte. Sie mißbilligte die Art, wie meine Mutter mich behütete. Sie freute sich, mich
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