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Die verborgenen Fruechte

Die verborgenen Fruechte

Titel: Die verborgenen Fruechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaïs Nin
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einem kräftigen Russen geküßt worden, der mich von einem Tanzabend heimbrachte, und hatte zu Hause angstvoll verkündet, ich sei schwanger.
    Jetzt fiel mir wieder ein, daß wir eines Abends, als wir zu mehreren von einem Tanzabend gekommen und die Schnellstraße entlanggefahren waren, gehört hatten, daß irgendwo ein paar Mädchen schrien. John, mein Begleiter, hielt den Wagen an. Aus dem Gebüsch kamen zwei Mädchen auf uns zugelaufen, zerzaust, mit zerrissenen Kleidern und verstörtem Blick. Wir ließen sie einsteigen. Sie plapperten hysterisch, sie seien von einem Motorradfahrer mitgenommen und dann überfallen worden. Eine von ihnen jammerte immer wieder: »Wenn er mich entjungfert hat, bring ich mich um!«
    Bei einem Gasthaus hielt John an und führte die Mädchen zur Damentoilette. Sofort gingen sie beide zusammen hinein. Die eine sagte: »Es hat nicht geblutet. Wahrscheinlich hat er mich doch nicht entjungfert.« Die andere weinte.
    Wir brachten sie heim. Die eine bedankte sich bei mir. »Ich hoffe nur, daß dir nie so etwas passiert«, sagte sie.
    Während meine Mutter sprach, fragte ich mich, ob sie wohl auch so etwas befürchtete und mich darauf vorbereiten wollte.
    Ich kann nicht behaupten, daß mir nicht unbehaglich zumute war, als der Montag kam. Ich glaubte, wenn dieser Maler attraktiv wäre, würde ich mich in größerer Gefahr befinden, als wenn er es nicht wäre, denn wenn ich ihn mochte, würde ich womöglich feucht zwischen den Beinen werden.
    Der erste war ungefähr fünfzig, kahl, mit einem ziemlich europäischen Gesicht und einem Bärtchen. Er hatte ein wunderschönes Atelier. Er stellte einen Paravent vor mich hin, damit ich mich umziehen konnte. Ich warf meine Kleider oben drüber. Als ich mein letztes Wäschestück über den Rahmen des Paravents warf, sah ich darüber das lächelnde Gesicht des Malers erscheinen. Aber er machte das so komisch und lustig wie eine Szene aus einem Theaterstück, daß ich nichts sagte, sondern mich kostümierte und die verlangte Pose einnahm.
    Alle halbe Stunde durfte ich mich ausruhen und eine Zigarette rauchen. Der Maler legte eine Schallplatte auf. »Möchtest du tanzen?« fragte er mich.
    Wir tanzten auf dem blankpolierten Fußboden, drehten uns inmitten der Gemälde schöner Frauen. Als der Tanz zu Ende war, küßte er mich auf den Hals. »So zierlich«, sagte er bewundernd. »Posierst du auch nackt?«
    »Nein.«
    »Schade.«
    Ich fand, die Situation sei gar nicht so schwierig zu meistern. Es wurde wieder Zeit zum Posieren. Die drei Stunden vergingen schnell. Während er arbeitete, redete er. Er habe sein erstes Modell geheiratet, erzählte er mir; sie sei unerträglich eifersüchtig; immer wieder komme sie in sein Atelier und mache ihm eine Szene; sie wolle nicht dulden, daß er einen Akt male. Er habe sich ein anderes Atelier gemietet, von dem sie nichts wisse. Er arbeite sehr häufig dort. Und gebe auch Parties. Ob ich einmal am Samstagabend hinkommen wolle?
    Als ich ging, küßte er mich leicht auf den Hals. Augenzwinkernd sagte er: »Du wirst mich im Club doch nicht verraten, wie?«
    Zum Lunch kehrte ich in den Club zurück, weil ich dort mein Gesicht herrichten und mich ein wenig frisch machen konnte. Außerdem gab es dort billige Mahlzeiten. Die anderen Mädchen waren auch da. Wir gerieten ins Erzählen. Als ich die Einladung für den Samstagabend erwähnte, lachten sie und nickten einander zu. Ich konnte sie nicht zum Sprechen bringen. Eines der Mädchen hatte den Rock gehoben und untersuchte ein Muttermal hoch oben an ihrem Oberschenkel. Sie versuchte es mit einem kleinen, medizinischen Stift wegzuätzen. Und ich sah, daß sie kein Höschen trug, sondern nur ein schwarzes Kunstseidenkleid, das ihr am Körper klebte. Zwischendurch klingelte ab und zu das Telefon, und dann mußte eines der Mädchen zur Arbeit gehen. Der nächste war ein junger Illustrator. Er trug sein Hemd am Hals oben offen. Als ich hereinkam, rührte er sich nicht vom Fleck, sondern rief mir nur zu: »Ich möchte viel Rücken und Schultern sehen. Da, leg dir den Schal um, oder sonst was.« Dann gab er mir einen kleinen, altmodischen Sonnenschirm und weiße Handschuhe. Den Schal steckte er fast bis zur Taille herunter fest. Das Bild war für den Umschlag einer Zeitschrift gedacht.
    Der über meine Brüste drapierte Schal saß gefährlich lose. Als ich den Kopf so drehte, wie er es wünschte – eine Art einladende Bewegung –, rutschte er weg und entblößte meine Brüste. Er

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