Die Verborgenen
sie einen mottenzerfressenen, schimmligen karierten Schlafsack aus demselben Loch. Sie drapierte ihn um Aggies Schultern, sodass die Umrisse seines Körpers nicht mehr klar zu erkennen waren. Aggie hatte in Rinnsteinen geschlafen, durch die schmutziges Regenwasser floss, er hatte sich bepinkelt und sich manchmal sogar direkt in seine Kleider erleichtert, doch selbst in seinen schlimmsten Momenten hatte er nie so furchtbar gestunken.
Sie führte ihn hinaus auf einen schmalen Sims, der aus Feldsteinen, altem Bauholz, einem zerbeulten Highway-Schild und anderen Überresten der menschlichen Zivilisation bestand. Vor ihm lag eine etwa neunzig Meter lange und sechzig Meter breite Höhle. Der knapp anderthalb Meter breite Sims zog sich in einer Höhe von zehn Metern um die ganze Wand herum. Auf diesem Sims standen Sitzmöbel aller Art: Klappstühle aus Metall, Plastikstühle, Bänke, Baumstämme, Fässer, Eimer. Es waren Hunderte, und alle waren nahe an die Kante des Simses gerückt worden, sodass die Leute sich setzen und hinab auf den Höhlenboden sehen konnten. Hinter den Sitzen, an der Rückseite des Simses, erkannte Aggie zahllose dunkle Öffnungen – Tunnel, die noch tiefer in jene Hölle hineinführten, in die Aggie geraten war. Eine unebene Decke aus Erde und Steinen wölbte sich über der Höhle.
Unten zu seiner Linken, an dem einen Ende des länglichen Raums, entdeckte er das Wrack eines gewaltigen hölzernen Segelschiffs, wie er es aus Piratenfilmen kannte. Der Kiel ruhte auf einer Art kleinem Plateau, wodurch das Schiff ein wenig über den Höhlenboden angehoben wurde. Der langgestreckte Bug deutete auf die gegenüberliegende Seite des länglichen Raums, während das Heck in der Höhlenwand begraben schien.
Aggie hatte noch nie etwas gesehen, das so fehl am Platz wirkte. Das Deck des Schiffs sah uneben aus, doch es war größtenteils intakt. Die Reling war zwar an einigen Stellen zerstört, doch an anderen zog sie sich noch immer entlang der Schiffskante. Er sah Luken im Deck, von denen anscheinend eifrig Gebrauch gemacht wurde und die noch immer in Räume darunter zu führen schienen. Aus der Mitte des Schiffs erhob sich ein Mast, der vollständig von menschlichen Schädeln umhüllt war. Die Spitze des Masts befand sich ungefähr auf Aggies Augenhöhe, knappe neun Meter über dem Deck. An dieser Spitze bildete ein Querbalken zusammen mit dem Mast ein riesiges T . Eine Kombination aus brennenden Fackeln und blendenden elektrischen Lampen, die sich an beiden Enden des Querbalkens befanden, beleuchtete das Deck darunter.
Im Heck des Schiffs, wo eine Treppe eigentlich auf ein weiteres, höher gelegenes Deck hätte führen müssen, verschmolz das Wrack mit der Höhlenwand, als hätte ein Ausgrabungstrupp seine Arbeit nicht zu Ende gebracht. Eine Tür im hinteren Teil des Decks sah aus, als hätte sie ursprünglich unter dieses verborgene zweite Deck geführt. Durch diese Tür konnte Aggie einen Blick auf etwas Weißes und Schneckenartiges erhaschen.
Mama.
Aggie setzte die Puzzleteile zusammen. Mama lebte in der Kapitänskajüte eines alten hölzernen Segelschiffs. Hillarys Leute hatten Eisenstangen und Metallgitter in der Kajütendecke angebracht, sodass man auf Mama hinabsehen konnte. Aber wie konnte sich ein so großes Schiff unter der Erde befinden? Und wo war er überhaupt, verdammt noch mal?
Er erkannte, dass der Höhlenboden keine glatte Ebene war. Das Plateau, auf dem sich das Schiff befand, senkte sich zu einer Reihe von Gräben ab, die sich in alle Richtungen zogen und bis an die Längsseiten und das gegenüberliegende Ende der Höhle reichten. Die Gräben wanden sich hin und her und überschnitten sich. Sie waren etwa drei Meter tief und anderthalb bis zweieinhalb Meter breit. Von seinem Platz auf dem Sims konnte Aggie direkt in die meisten Gräben in seiner Nähe blicken. Bei denen, die auf der anderen Seite der Höhle lagen, schaffte er das nicht, mit Ausnahme derer, die in seine Richtung verliefen.
Schließlich begriff er, was die Gräben darstellten: einen Irrgarten. Er schauderte, als er sich vorstellte, durch diese Gräben zu gehen, und er fragte sich, was ihn dabei wohl verfolgen mochte.
Ein goldenes Funkeln lenkte Aggies Aufmerksamkeit auf sich. Auf dem Sims direkt über Mamas Kajüte entdeckte er einen goldenen Thron, der mit roten Samtkissen gepolstert war. Alles in der Höhle wirkte schmutzig, abgenutzt, weggeworfen und zerbeult, doch nicht der goldene Thron. Er strahlte eine Aura von
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