Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Detail von der Begegnung mit Martin zu berichten, und je länger die beiden ihm lauschten, desto mehr wich deren erste Erleichterung tiefer Besorgnis.
»Schreib einen Brief! Ich bringe ihn zu Martin«, sagte Paikou. Auch wenn sein Ton rüde war, Johanna war glücklich über diese Gelegenheit, ihrem einzigen Sohn eine Nachricht schicken zu können. Doch zunächst deutete sie auf die Staffelei in der Ecke der Veranda. Sie gingen hinüber, und Johanna entrollte einige der Bilder, die in einer länglichen Holzkiste hinter der Staffelei lagen. Paikou betrachtete aufmerksam die verschiedenen Gemälde und Zeichnungen. Als er auf einem Bild einen Freund zu erkennen glaubte, rief er begeistert dessen Namen aus und nickte Johanna zu. Johanna entschied sich für eine der Zeichnungen, rollte sie vorsichtig zusammen und drückte sie Paikou in die Hand.
»Hier, nimm das, und gib es meinem Sohn zusammen mit dem Brief! Kannst du morgen wiederkommen und den Brief holen? Ich möchte mir dafür ein wenig Zeit nehmen.« Paikou nickte und ging davon. Im nächsten Moment hatte ihn schon der Dschungel verschluckt.
Johanna holte Papier und Stift aus ihrem Zimmer, setzte sich an den kleinen Tisch auf der Veranda und begann zu schreiben. Doch direkt nach der Begrüßungsfloskel hielt sie inne und schaute vom Brief auf. Was wollte sie Martin denn eigentlich sagen? Einem ersten Impuls folgend, hätte sie sich am liebsten die Mühsal der letzten Wochen von der Seele geschrieben, aber wäre das klug? Mit Sicherheit nicht, urteilte sie. Zum einen könnten die Japaner Paikou abfangen und ihren Brief finden. Dann gnade ihr Gott! Zum anderen konnte sie ihrem Sohn unmöglich davon berichten, dass sie gerade vier amerikanische Airmen im Garten vergraben hatten. Er wäre vor Sorge außer sich und könnte nichts tun, um ihre Lage zu ändern.
Nein, dachte Johanna, das Letzte, was Martin jetzt brauchte, war eine Mutter, um die er sich kümmern müsste. Wo sie doch das genaue Gegenteil erreichen und Martin Mut machen wollte. Johanna überlegte lange hin und her. Dann entschied sie sich, den Brief so allgemein wie möglich zu halten. Martin sollte nicht erfahren, wie schwierig es war, sich tagtäglich aufs Neue mit den Japanern zu arrangieren.
Johanna richtete den Blick wieder auf den Briefbogen, setzte sich zurecht und schrieb weiter.
Lieber Martin,
dieser liebe Tolai hat mir eben Deinen Zettel gegeben und mir gesagt, er habe Dich auf dem Kokodatrail getroffen. Ich bin so unendlich froh, von Dir zu hören! Hoffentlich können wir über diesen Weg auch in Zukunft in Kontakt bleiben. Ich vertraue den Tolai und sie mir. Um uns herum sind überall die Japaner, und wir müssen schrecklich vorsichtig sein. Phebe und ich arbeiten noch immer eng mit den Einheimischen zusammen, und den Japanern ist es ganz recht, wenn sie sich nicht selbst mit den Papua auseinandersetzen müssen. Abgesehen von ein paar Vorsichtsmaßnahmen, geht unser Leben im Grunde also so weiter wie bisher. Die Fische schwimmen noch im Meer, die Kokosnüsse hängen noch an ihren Palmen. Mach Dir also …
Plötzlich hörte Johanna einen Schlag und das Zersplittern von Holz. Sie sprang von ihrem Stuhl auf, schaute zur Haustür hinüber, von wo der Lärm herkam, und sah gerade noch, wie ein japanischer Offizier durch die aufgebrochene Tür schritt.
Johanna lief hinterher und sah Miti im Raum stehen, die Hände vor den Mund geschlagen, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. Ihre Haare waren in Unordnung. Bestimmt hatte sie sich gerade auf der Couch ausgeruht, als die Tür eingetreten wurde. Der Japaner rempelte die alte Frau unsanft an, so dass sie hinfiel. Johanna eilte zu ihr und kniete sich neben sie, während der Offizier zwei Soldaten etwas zuschrie, die daraufhin ins Haus eindrangen. Die beiden Frauen sahen einander ängstlich an, hielten sich bei den Händen. Der Offizier hielt sie mit einer Pistole in Schach, bis die Soldaten zurückkamen. Einer deutete mit dem Daumen auf den Familienfriedhof. Johanna hatte keinen Zweifel, was diese Geste bedeutete. Sie hatten die Amerikaner gefunden.
Paikou war schon auf halbem Weg zu seinen Leuten, als er hinter sich das Krachen von Holz und die Stimmen der Japaner hörte. Er blieb stehen und lauschte. Nach einer Weile beschloss er zurückzugehen. Bei der Farm angekommen, schob er seinen Körper lautlos seitwärts am Haus entlang und blickte vorsichtig in eines der Fenster von Kuradui. Er hörte einen der Soldaten in dieser eigenartigen Sprache
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