Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
nachfragen, was genau sie so aufwühlte, doch dann hielt er sich zurück.
»Sie müssen sich doch nicht entschuldigen. Das Ganze muss ein ziemlicher Schock für Sie sein, und ich bin sehr froh, dass Sie mit mir darüber sprechen. Auch wenn ich noch lange nicht alles verstehe. Aber das kommt schon noch.«
Katja bemühte sich um ein Lächeln.
»Als ich wegen des Familiengeheimnisses auf Tasmanien war, habe ich übrigens noch etwas herausgefunden. Etwas, worauf ich gern verzichtet hätte.« Sie schluckte, machte eine Pause und holte dann tief Luft. »Ich bin zum Cradle Mountain gefahren, der Unfallstelle des Hubschraubers, in dem Michael saß. In dem Hotel, wo er zuletzt untergebracht war, habe ich Fotos von ihm gefunden … Entlarvende Fotos.« Ihre Stimme vibrierte jetzt vor überbordenden Emotionen. Lambert strich ihr beruhigend über den Arm. Sie begann zu schluchzen, sprach aber weiter.
»Michael hatte eine Affäre. Mit seiner Producerin. Die Bilder lassen daran absolut keinen Zweifel.« Die Tränen hinterließen Spuren auf Katjas Wangen. Sie wollte weiterreden, doch die aufwallenden Gefühle begannen sich ihrer Kontrolle zu entziehen. Lambert zog sie sachte an sich. Sie ließ den Kopf an seine Schulter sinken, schloss die Augen. Er hielt sie fest. Irgendwann hob Katja den Kopf.
»Es gibt nichts im Leben, was mich mehr verletzt hätte als diese Entdeckung.« Christoph drückte ihr den Arm. Er schien zu verstehen, dass sie sich ihren Kummer von der Seele reden musste, und schwieg. »Es fühlt sich an, als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich versuche, in alldem einen Sinn zu erkennen.«
»Das tut mir sehr leid für Sie, Katja. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, aber ich hoffe, Sie finden Ihren Weg. Zu der Sache mit Ihrem Mann kann und will ich nichts sagen.« Er strich ihr mit dem Daumen über den Handrücken. »Aber ich möchte mich gerne zu Ihrer Familiengeschichte äußern. Meiner Meinung nach hat Ihre Schlussfolgerung einen Haken.«
Katja richtete sich kerzengerade auf und sah ihn verwundert an.
»Ich meine das in Bezug auf die Männer Ihrer Familie. Sie kennen weder die Motive Ihres Großvaters noch die Ihres Vaters. Und Sie scheinen sich auch nicht sonderlich dafür zu interessieren.«
Katja rückte ein wenig von Lambert ab. Sie fragte sich, worauf er hinauswollte.
»Woher wollen Sie beispielsweise wissen, was Ihr Vater weiß? Korrigieren Sie mich, wenn ich falschliege, aber meiner Ansicht nach ist genau das die wichtigste Frage für Sie als Tochter: Was weiß Ihr Vater über diese Familienlüge? Ich denke, Ihr wirklicher Kampf findet zwischen Ihnen und Ihrem Vater statt.«
Auszug aus einem Brief von Phebe Parkinson
an ihren Mann Richard, datiert auf den 18. Januar 1906,
Phebe-Parkinson-Archiv, Archivnummer 056
(…) Wie lange bleibst Du noch auf Mioko? Vergiss über Deiner Arbeit nicht die Familie, wir brauchen Dich hier und vermissen Dich! (…)
Ich muss Dich um etwas bitten. Es geht um meine Nichte Nuala. All meine Versuche, sie ein gottgefälliges Leben zu lehren, sind fehlgeschlagen. Du kennst meine Geduld, ich selbst war ja auch einmal jung, aber nun erwartet sie ein Kind von Häuptling Tamaseses Sohn. Emma hatte eigentlich große Pläne für das Mädchen. Sie sollte in den Staaten Klavier studieren, und Emma hatte schon alles organisiert. Jetzt ist Nuala natürlich untröstlich.
Können wir ihr Baby nicht bei uns aufnehmen? Ich sehe, wie Du den Kopf schüttelst. Aber ich bitte Dich, das arme Mädchen ist erst vierzehn, und wenn ihr Vater auf Samoa erfährt, was los ist, muss sie mit dem Kind zurück. Das wäre das Ende all ihrer Träume. Ein kleiner Mensch mehr oder weniger spielt in unserer Familie doch keine Rolle. Und Du liebst Kinder genauso wie ich! Tu es für mich, bitte! Wir Samoaner haben nun einmal Fa Samoa , dieses weit gefasste Verständnis von Familie, das ist unsere Art zu leben. Es bedeutet uns alles. (…)
Rabaul, 1944
T alofa lava!« Ich heiße dich willkommen!, grüßte sie der japanische Gefreite, als er an Phebes und Johannas Hütte vorbeiging. Phebe hatte ihm den samoanischen Gruß beigebracht, und seither verging kein Tag, an dem der Soldat ihnen nicht diese zwei Worte entgegenbellte. Die Ironie seiner Worte schien ihm dabei zu entgehen, doch Phebe hielt es für klüger, ihn nicht darauf hinzuweisen. Es war zu gefährlich, auch wenn der Gefreite kein schlechter Mann war. Phebe und Johanna waren seit zwei Jahren in japanischer
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