Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
volle Pulle!«, schrie Lambert, als der Verfolger schließlich zum Überholmanöver ausscherte, und Katja trat mit Wucht aufs Gaspedal. Gleichzeitig spürte sie, wie sie bei dieser Geschwindigkeit drauf und dran war, die Kontrolle zu verlieren.
Plötzlich war der SUV links neben ihnen, die Scheinwerfer ausgeschaltet. Katja biss erneut die Zähne zusammen und steuerte auf ihn zu, bevor er sie von der Seite erwischte.
»Festhalten!«, befahl Lambert. Ihr Wagen überschlug sich, geriet ins Rollen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kam er auf den Rädern zum Halt. Dampf zischte aus den Schlitzen der Motorhaube, Fenster und Türen waren eingedrückt. Sie spürte keinen Schmerz, nur ein dumpfes Pochen hinter den Schläfen. Was war mit Lambert? Wo waren die Raskols?
Für eine Weile blieb alles still. Dann hörte Katja Reifen quietschen und bemerkte im Rückspiegel Lichtpunkte auf sie zukommen.
Australien, Mt. Isa, 1952
B ills Bruder George war Vorsteher der Rinderfarm auf Mt. Isa, seit sein Bruder vor fast fünfundzwanzig Jahren gestorben war und seine Witwe Johanna den Ort verlassen hatte, um nach Papua-Neuguinea zurückzukehren. George war zunächst widerwillig vom Südwesten Queenslands hoch in den Norden gezogen, um die Farm seines Bruders weiterzuführen. Aber wer sonst hätte es tun sollen, und die Farm zu verkaufen, das hätte er nicht übers Herz gebracht. Er wusste schließlich, was dieser Ort seinem Bruder bedeutet hatte.
Wie Bill war George ein umgänglicher Typ, und die Stockmen seines Bruders nahmen ihn freundlich auf und akzeptierten den erfahrenen Farmer ohne Murren als neuen Chef. George war seit einigen Jahren Witwer. Seine Frau Mildred war drei Jahre zuvor an der Schwindsucht gestorben. Sein ältester Sohn James hatte ihn begleitet, wofür George dankbar war. Mehr als das, er war heilfroh. Er glaubte nicht, dass er sich diesen Job ohne James’ Hilfe noch zugetraut hätte. Körperlich war er zwar noch gut beisammen, er konnte reiten und die Viehzählung beaufsichtigen. Doch das Alter brachte es mit sich, vorsichtiger zu werden. Die Knochen heilten nicht mehr so wie mit zwanzig. Er war immerhin schon Anfang siebzig und konnte Unterstützung gebrauchen. Außerdem hatte James seine Familie mitgebracht. Seine Frau Patsy und die fünf Kinder, die pausenlos auf der Farm herumtollten und sie zum Leben erweckten. George hätte über all den Lärm nicht glücklicher sein können. Gern fiel er in das Kinderlachen ein, wenn ihn die Enkel wegen seiner lahmen Art neckten. Der Aborigine Tommy, engster Mitarbeiter seines Bruders, war vor Jahren verstorben. Glücklicherweise hatte er jede Menge Nachkommen gezeugt, so dass an saisonalen Arbeitern kein Mangel bestand. Der älteste dieser Aborigines hieß Lionel. Er war ein Großcousin von Tommy und wusste eine Menge über das Land und die umliegenden Stämme.
Der Besucher kam an einem heißen, trockenen Sommertag, und wie immer kündigten die Hunde an, dass sich ein Fremder der Farm näherte. Patsy war allein in der Küche. Sie putzte sich die Hände an der Schürze ab und ging nach draußen, um nachzusehen, was die Hunde aus der Ruhe gebracht hatte. Mit der flachen Hand schirmte sie die Augen vor der gleißenden Mittagssonne ab und schaute in die Weite hinaus. Hitzeschlieren, die von der heißen Erde aufstiegen, ließen die Umrisse undeutlich werden, dennoch sah sie das Auto, das auf dem Weg zu ihnen war. Als sich der Wagen näherte, erkannte sie sogar das Fabrikat. Es war ein australischer Holden, ausgestattet mit einem Bullbar, dem in dieser Gegend erforderlichen Frontschutzbügel. Zahlreiche Wasserkanister, die vor dem Kühler festgebunden waren, bestätigten Patsys ersten Eindruck, dass es sich bei dem Besucher um jemanden handelte, der sich im australischen Outback zu bewegen wusste.
Das Auto hielt in der Einfahrt, und ein junger Mann mit Schlapphut und Khaki-Shorts stieg aus. Er redete gleich wie ein Freund auf die Hunde ein und ging in die Knie, um sie zu tätscheln. Patsy beobachtete die Szene aufmerksam. Es gab nicht viele, die mit den Hunden so umgehen konnten. Selbst der Postbote blieb für gewöhnlich in seinem Wagen sitzen und hupte, damit jemand nach draußen kam. Wenn es stimmte, dass Hunde Angst riechen konnten, dann verströmte dieser Mann hier nicht einmal einen Hauch von Furcht.
Er strich dem Kelpie abschließend über den Kopf, stand auf. Die Hunde begleiteten ihn, als er mit großen Schritten aufs Haus zuging und Patsy die Hand
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