Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
reichte.
»Guten Morgen. Ich grüße Sie! Ein wundervoller Tag, nicht wahr?«
Seine Stimme klang forsch und nahm Patsy für sich ein. Sie hörte den deutschen Akzent heraus, aber der klang so, als lebte dieser gut aussehende Mann schon eine Weile in Australien. Davon abgesehen, wirkte er fair dinkum auf Patsy, total australisch. Die Art, wie er gekleidet war, die Lockerheit im Umgang mit Tieren und wie er sich ihr gegenüber nun vorstellte, das alles war so, wie man es hier tat und wie sie es gewohnt war.
»Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Magnus Friedrich. Sie fragen sich sicherlich, weshalb ich hier bin. Ich will’s kurz machen. Ich bin ein Mittelsmann zwischen der australischen und der deutschen Regierung. Meine Aufgabe ist es, herauszufinden, welche Hürden zwischen den beiden Nationen bestehen, und gleichzeitig nach Lösungen zu suchen, wie sie eventuell beseitigt werden könnten. Dabei geht es natürlich in der Hauptsache um Dinge, die vor und während des letzten Weltkrieges vorgefallen sind. Genau genommen geht es um Leute, die Kriegsverbrechen begangen haben.«
Patsy hatte seinem ungewöhnlichen Vortrag aufmerksam zugehört und zuckte nun hilflos mit den Schultern.
»Da müssen Sie wohl mit meinem Mann sprechen. James muss bald von den Stallungen zurück sein, sein Vater George wohl auch. Mein Mann war aber während des Krieges in Übersee, hauptsächlich in Südostasien. Schätze, er wird Ihnen kaum weiterhelfen können. Verbrechen hat er, soweit ich weiß, auch keine begangen.«
Magnus Friedrich warf den Kopf in den Nacken und lachte.
»Es geht auch gar nicht um Ihren Mann, keine Sorge.« Patsy lächelte unsicher, machte schließlich mit dem Kopf eine einladende Geste in Richtung Haustür.
»Kommen Sie doch rein. Ich war gerade dabei, mir eine Tasse Tee aufzubrühen. Wenn Sie auch eine wollen?«
Magnus und Patsy saßen am Küchentisch. Kinder rannten durchs Haus und wurden ab und zu von Patsy zur Ruhe ermahnt, wenn sie vor lauter Geschrei ihr eigenes Wort nicht mehr verstand. Sie entschuldigte sich für ihre Rasselbande, doch Magnus lächelte nur nachsichtig. Es dauerte nicht lange, und sie plauderten ungezwungen übers Wetter, die Farm und die Minen um Mt. Isa. Magnus schien eine ganze Menge vom Bergbau zu verstehen, was er mit seiner Familie erklärte, die schon lange in der Branche tätig war. Patsy erzählte ihm außerdem, dass ihr Mann James einen älteren Cousin namens Martin hatte, der auf Tasmanien lebte. Magnus schien an Martin interessiert, stellte viele Fragen über ihn und die Familie, die auf der weit entfernten Insel im Süden Australiens lebte.
Nach der dritten Tasse Tee kamen James und der Aborigine Lionel von den Stallungen zurück. Nass geschwitzt traten sie durch die Fliegentür, die hinter ihnen ins Schloss knallte. Lionel trank nur einen Becher Wasser, entschuldigte sich und ging wieder nach draußen zu den Pferden. Patsy stellte die Männer einander vor. James blieb wortkarg am Spülbecken stehen, wo er sich das Gesicht wusch und Wasser aus der hohlen Hand trank. Magnus redete umso mehr, bedankte sich wortreich für die Gastfreundschaft und erzählte, dass er eigentlich hierhergekommen sei, um ihnen ernsthaftere Fragen zu stellen.
»Ich würde Sie gerne über einen unglücklichen Vorfall befragen, der sich vor dem Krieg zugetragen hat. Ein junger Mann ungefähr meines Alters hat diese Farm 1928 besucht und ist wohl über irgendetwas mit Ihrem Onkel und seiner Frau Johanna in Streit geraten. Der junge Mann, um den es mir geht, war später im Zweiten Weltkrieg an schlimmen Kriegsverbrechen beteiligt. Ich kann zwar keine Versprechungen über eine mögliche Wiedergutmachung leisten, aber ich kann Ihnen zusagen, dass ich alles tun werde, um seine Rolle während des Krieges vollkommen aufzudecken. Außerdem möchte ich, dass Sie wissen, dass er nicht mehr am Leben ist. Er starb 1944. Um die damaligen Ereignisse lückenlos offenzulegen, bin ich allerdings auf Hilfe von Dritten angewiesen – wie die Ihre beispielsweise. Ich suche nach Dokumenten jeglicher Art, die auf diesen Mann hinweisen und über seine Handlungen Auskunft geben. Seine Kriegsverbrechen sind von solch grausamer Natur, dass wir nichts unversucht lassen wollen, um das horrende Ausmaß seiner Schuld ans Licht zu bringen.«
James stutzte. Magnus Friedrich klang gebildet, wählte seine Worte überlegt. Doch das schüchterte James nicht ein.
»Was wissen Sie von diesem Besuch bei meinem Onkel und seiner
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