Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
dieser Tatsache dachte Johanna darüber nach, ob sie in der Mission nicht generell mehr auf Einheimische setzen sollten. Gemeinsam mit Bruder Bender überlegte sie, wer unter den Getauften geeignet sein könnte, Gumbo in seiner neuen Aufgabe zu unterstützen. Sie war erstaunt, denn Gumbo nahm die Herausforderung mit einem Eifer an, wie sie ihn bei einem Eingeborenen gar nicht für möglich gehalten hätte. Zumindest hatte er diese Art von Ehrgeiz vermissen lassen, als er noch in ihrem Haushalt tätig war. Montags war er oft gar nicht erst aufgetaucht. Es dauerte eine Weile, ehe Johanna den Grund dafür begriffen hatte. Der Montag war nämlich der beschwerlichste Wochentag, da wurde die Wäsche erledigt. Gumbos Aufgabe bestand darin, den großen Waschzuber mit Wasser zu befüllen und es anschließend zum Kochen zu bringen. Dazu musste er einige Male mit den Wassereimern zwischen Tank und Zuber hin- und herlaufen und zwischendurch immer wieder dafür sorgen, dass das Feuer für die Kochwäsche nicht plötzlich erstarb. Es war eine schweißtreibende Arbeit, die niemand gern erledigte. Doch auch die leichteren Arbeiten wurden ihm schnell zu viel, wie der Frühjahrsputz, wenn Johanna unter anderem alle Töpfe reinigen ließ. Gumbo schien sich dann absichtlich dumm zu stellen. Manchmal dachte Johanna, dass ihm das Predigen vielleicht deshalb besser gefiel, weil das ohne größere Schweißausbrüche vonstattenging. Die eigentliche Missionsarbeit wusste sie bei ihm auf jeden Fall in guten Händen. Viel mehr konnten sie eh nicht tun, bis man einen neuen Missionar aus der Heimat schicken würde.
Größeres Kopfzerbrechen bereitete Johanna da schon die Organisation der Schulklassen. Außer ihr und Bender gab es niemanden, der die Kinder im Lesen und Schreiben hätte unterrichten können, und so entschieden sie sich, die verschiedenen Klassen zu einer einzigen zusammenzulegen. Bender wählte außerdem zwei Jungen und ein Mädchen aus, die sie nach und nach zu Hilfslehrern ausbildeten.
Natürlich gab es auch Rückschläge. So scherte einer der ausgewählten Schüler kurz vor seinem ersten Klasseneinsatz aus, um Verwandten in die Berge zu folgen, und alles gute Zureden konnte an dieser Entscheidung nichts ändern.
Ihre finanziellen Mittel waren so knapp bemessen, dass Bender, Haller und Johanna kaum wussten, wovon sie sich ernähren sollten. Wäre Johanna nicht mit Martin von Phebe aufgenommen worden, hätte sie es sich im Grunde gar nicht leisten können, weiterhin auf Raluana zu arbeiten. Wahrscheinlich hätte sie bei Queen Emma nach einer bezahlten Tätigkeit in ihrer Küche fragen müssen. Doch sie fühlte sich verantwortlich. Raluana war schließlich auch Ludwigs Vermächtnis. Mit einem neuen Pastor war seitens der Rheinischen Mission jedenfalls so schnell nicht zu rechnen. Dafür würden die Berichte der deutschen Zeitungen über das Baining-Massaker schon gesorgt haben.
Es gab viele Gründe, zu verzweifeln, aber Johanna war entschlossen, der Hoffnungslosigkeit zu trotzen. Bruder Benders Humor blieb auch in diesen Zeiten unverwüstlich, und er munterte Johanna auf, wenn sie die Mutlosigkeit überkam. Die gute Schwester Haller kümmerte sich darum, die Missionsgebäude und die Kirche in Ordnung zu halten.
Phebe weigerte sich nach wie vor beharrlich, Konfessionsgrenzen anzuerkennen, und überredete Johanna tatsächlich, auch im katholischen Kinderheim auszuhelfen. Obwohl Johanna feste Überzeugungen hatte, was ihren Glauben anbelangte, und sich nie mit Katholiken hatte gemein machen wollen, konnte sie nicht umhin, Phebes Argumentation zu folgen. Kinder waren Kinder. Sie brauchten ein Heim, Nahrung, Kleider und eine Schule – ob sie nun katholisch waren oder nicht.
Johanna saß auf der Veranda von Kuradui und sah den Kindern zu, die am Strand spielten. Die Sonne ging schon unter, es war Zeit für die Abendvorbereitungen. Sie stand auf und rief nach ihnen. Wie gewohnt, würde es eine Weile dauern, ehe sich der Trupp in Bewegung setzte, um nach Hause zu laufen. Ein Lächeln spielte um Johannas Lippen. Kinder würden sich wohl nie ändern.
Sie ging in die Küche und machte sich mit zwei der Hausmädchen an die Zubereitung des Abendbrots. Nach einer Weile stieß Miti geräuschvoll die Fliegentür auf, die hinter ihr ins Schloss knallte. Sie nahm den Strohhut ab und wischte sich mit dem Arm über die verschwitzte Stirn. Dann schenkte sie sich aus der Karaffe Wasser ein und leerte ihr Glas in einem Zug. In der Rechten hielt
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