Die verbotene Geschichte: Roman (German Edition)
Kopf.
»Bemühe dich nicht. Wir telefonieren dann.« Er warf die Serviette auf seinen Teller, stand auf und ging.
Eine Traurigkeit kroch plötzlich in Katja hoch. Sie seufzte halblaut und ging zur Rezeption.
Takari hielt sein Versprechen. Am nächsten Tag nahm er Katja mit ins Dorf. Der leuchtend blaue Transporter des Resorts hielt vor einer schmucklosen Halle. Takari stieg aus und hielt ihr die Wagentür auf. Er bat sie, ihm zu folgen. Katja war noch immer aufgewühlt wegen des vergangenen Abends mit ihrem Vater, und sie war sich nicht sicher, ob ausgerechnet dieser Tag geeignet sei, um über Geister und ihre verfluchte Familie zu reden. Da Takari jedoch diese Begegnung nun einmal organisiert hatte, wollte sie nicht absagen. Mit einem bedrückenden Gefühl in der Brust folgte sie Takari ins Innere des trostlosen Baus.
Die Frau mit den fast schwarzen Zähnen kam Katja gleich bekannt vor. Es war die Alte vom Strand, die nun mit gekreuzten Beinen vor ihr saß. Ein Schauder lief Katja über den Rücken. Diese Frau war ihr zutiefst unheimlich, und sie hatte keine Ahnung, welche Rolle die Alte während des Überfalls am Strand gespielt hatte. War sie ein Teil der Bande oder im Gegenteil eine Autoritätsperson, der selbst diese Halbstarken nicht zu widersprechen wagten?
Genüsslich kaute die Alte auf der Betelnuss-Mischung herum, wie es anscheinend jeder auf Papua tat, und sah Katja ungeniert an. Es hieß, das Zeug hätte eine leicht betäubende Wirkung, was erklärte, weshalb die Leute so entspannt waren. Hin und wieder spuckte Maile schleimige Fasern aus, die sich als hässliche rote Flecken auf dem Zementboden des Gemeindehauses vor ihr verewigten.
»Setzen Sie sich!«, wies Takari Katja an. Die schaute sich um, und weil kein Stuhl in Sicht war, setzte sie sich ebenfalls auf den Boden. Takari tat dasselbe.
»Maile, wenn Pfarrer Reuter sieht, wie du hier rumspuckst, verdonnert er dich zu einem Monat schrubben. Reiß dich zusammen, ja?« Maile zeigte keine Reaktion.
»Also gut«, sagte Takari, »Maile, kannst du meiner Freundin erklären, warum alle schweigen? Wieso redet keiner mit ihr?« Maile hob die Hände zum Himmel und begann völlig unvermittelt, im Stakkato auf Takari einzureden. Katja verstand kein Wort, doch sie hielt es für besser, auf Takaris Erklärung zu warten.
Katja fragte sich zum wiederholten Male, was sie hier eigentlich tat. Sie saß vor dieser Alten, die sie nicht verstand und die sie auf eine Art einschüchterte, der sie nicht zu begegnen wusste. Sie wollte nur noch weg.
Plötzlich zuckte sie zusammen, als sie Takaris Stimme hörte.
»Also, wollen Sie wissen, was Maile gesagt hat?« Maile betrachtete derweil ihre Fingernägel und begann, auf einem davon herumzukauen. Takari sah Katja an. Diese bejahte.
»Okay. Da ist zum einen die Mine. Die Leute sind unglücklich darüber, dass der Fluss verschmutzt ist und die Fische sterben. Die Mine ist das eine. Aber es gibt noch eine andere Geschichte, und die hat etwas mit einem Fluch zu tun.«
Katja griff sich entnervt an den Kopf. »Entschuldigen Sie, Takari. Aber so langsam kann ich’s nicht mehr hören. Könnte die Freundin Ihrer Großmutter eventuell ein klein wenig konkreter werden? Was hat es mit diesem Fluch auf sich?«
Takari ignorierte den sarkastischen Unterton und tätschelte Maile beruhigend das Knie, da sie Katjas Worte aufgeregt zu haben schienen. Die Alte rutschte unruhig auf dem Boden umher und spuckte in immer kürzeren Intervallen ihren Betel-Schleim von sich.
»Maile sagt, Ihre Familie ist von einem Sanguma besessen. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Seien Sie vorsichtig, Katja. Der böse Geist verfolgt Sie.«
Deutsch-Neuguinea 1907
I n den drei Jahren, die seit Ludwigs Tod vergangen waren, hatte sich Johanna mit aller Kraft in die Missionsarbeit gestürzt. Gumbos Unterstützung war ihr dabei von unschätzbarem Wert. Er wusste, wie er gegenüber seinesgleichen zu predigen hatte, und den Katechismus verstand er, so kam es Johanna vor, sogar besser als mancher daheim im Deutschen Reich. Sie lernte mit der Zeit, ihm vollkommen zu vertrauen, wenn er in seinem Kauderwelsch den Eingeborenen die frohe Botschaft überbrachte, denn er tat es mit außerordentlichem Erfolg: Allein im ersten halben Jahr in seinem neuen Amt als Hilfsprediger hatte Gumbo es geschafft, ein Dutzend Papua zum Christentum zu bekehren – mehr, als Ludwig in den letzten zwei Jahren seines Lebens für ihre Kirche hatte gewinnen können!
Angesichts
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