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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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auf einmal da, blieb ein paar Wochen, und dann war sie plötzlich verschwunden.» Sie hob die Schultern. «Das ist nicht ungewöhnlich bei diesen Frauen. Viele wandern von Ort zu Ort. Sie war sehr schön, und ich bin sicher, sie hat einen Ort gefunden, an dem sie womöglich gesund werden kann.»
    «Aber Genaueres wisst Ihr nicht?»
    «Nein, hier in der Vorstadt fragt man nicht nach dem Woher und Wohin. Das Leben der Leute hier ist meist nicht so verlaufen, wie die Mütter es an der Wiege gesungen haben. Hier bei uns gilt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Ich rate Euch, Bürgersfrau, haltet es ebenso.»
    Minerva blickte Hella an und schenkte ihr ein Lächeln. «Habe ich Euch geängstigt? Nun, das wollte ich nicht, verzeiht mir. Das Leben ist hart. Und trotzdem weiß ich tief in meinem Herzen, dass die Nonne jetzt ihren Frieden gefunden hat.»
    «Da bin ich ja beruhigt», erklärte Hella und erhob sich. Aber in ihrem Inneren herrschte Aufruhr.

[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 20
    G ustelies lief auf dem Gang des Malefizamtes auf und ab. «Ich möchte wissen, wo der Heinz wieder steckt! Muss sich ein Richter nicht an seinem Schreibtisch aufhalten? Wo ist er denn? Meine Güte, hier könnte auf dem Gang ein schlimmes Verbrechen geschehen, und niemand würde es merken.»
    Jutta saß auf einer hölzernen Bank, die an der Wand stand, hatte die Hände unter ihre Schenkel geschoben und wippte mit den Füßen, wobei der bestrumpfte Fuß immer gegen den beschuhten stieß. «Die wenigsten Verbrechen werden aber nun mal auf dem Flur des Malefizamtes verübt. Sie geschehen draußen. Und deshalb muss dein Schwiegersohn auch hin und wieder mal seinen Schreibtisch verlassen.»
    Gustelies warf der Freundin einen finsteren Blick zu. «Aber das hier ist wichtig. Wir sollten einen Boten beauftragen, der nach ihm sucht.»
    «Die Boten werden sich um deinen Auftrag reißen. Oder hast du vergessen, dass die Bediensteten strenge Order haben, nicht mit dir und Hella zu sprechen?» Jutta blieb gelassen, als sie auf den Erlass des Schultheißen anspielte, der bewirken sollte, dass sich die beiden Frauen nicht immer in die Criminalia der Stadt einmischten.
    «Kannst du nicht mal aufhören, mit den Füßen zu wippen?», ärgerte sich Gustelies. «Du machst mich damit noch vollkommen verrückt.»
    Jutta wollte gerade zu einer deftigen Erwiderung ansetzen, als Heinz Blettner am Ende des Ganges erschien. Als er die beiden Frauen erkannte, verdüsterte sich seine Miene.
    «Oh, hoher Besuch. Was kann ich für die werten Frauen tun?» Seine Stimme ließ erkennen, dass es ihm am liebsten wäre, nichts für sie tun zu müssen.
    «Du musst sofort bewaffnete Stadtwachen nach Sachsenhausen schicken», erklärte Gustelies bestimmt. «Und Plätze im Verlies musst du freimachen lassen. Die Büttel sollen Stricke mitnehmen, und sie dürfen auf keinen Fall ihre Waffen vergessen. Sage ihnen, dass es gefährlich werden könnte.»
    «Ich habe hier einen Wasserschaden aufzuklären», bemerkte der Richter, der sich von der Aufregung seiner Schwiegermutter nicht im mindesten anstecken ließ. «Und warum gleich die Stadtwache? Reicht nicht ein einzelner Büttel? Sicher geht es wieder einmal um einen Bäcker, der zu kleines Brot backt. Musst du immer gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen?»
    Gustelies trat auf ihren Schwiegersohn zu und riss an seinem Wams. «Himmel, kannst du mir nicht einmal glauben? In Sachsenhausen, im Findelhaus, da gibt es ein Nebengebäude. Kinder arbeiten dort an Webstühlen. Winzige Kinder mit großen traurigen Augen.»
    Blettner seufzte. «Kommt erst einmal herein. Ich werde nach dem Schreiber schicken, damit er eure Aussagen aufnimmt.» Dann fiel ihm ein, dass er den ja gerade in die Vororte entsandt hatte. Er rief nach einem Gerichtsdiener und bat diesen, ihm irgendeinen Schreiber zu schicken.
    Nur widerstrebend ließ sich Gustelies in das Richterzimmer schieben.
    Heinz hieß die Frauen Platz nehmen und begab sich hinter seinen Schreibtisch. Als ein Schreiber kam und hinter dem Pult Platz genommen hatte, verschränkte Heinz Blettner die Hände auf der Tischplatte und sagte: «Also schön, erzählt, was ihr erlebt habt.»
    Gustelies war noch immer so außer Atem, dass sie eine Hand auf ihren Busen pressen und nach Luft ringen musste. Ihr Gesicht war rot wie ein Septemberapfel.
    Jutta gab dem Schreiber ein Zeichen, für die Freundin einen Becher Wasser zu holen, dann begann sie: «Im Findelhaus arbeiten kleine Kinder. Kleine,

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