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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Hat der Antoniter da was erzählt?»
    «Eigentlich nicht. Nur einmal, da hat er über einen geredet, der nichts über seine Sünden verlauten ließ, aber aus dem Buch Hiob zitiert hat.»
    «Was?» Pater Nau fuhr auf. «Und dann?»
    «Nichts weiter.» Hella runzelte die Stirn.
    «Kein Skalp? Kein Blut? Keine Haare? Was hat der Göck mit ihm gemacht?»
    «Ich weiß es nicht. Eine Strafe wird er ihm schon aufgebrummt haben. Ansonsten hat er nichts erzählt. Nur dass er wünscht, du würdest bald wiederkommen. Die Welt ist in Frevlerhand, behauptet er. Und jetzt wüsste er auch, was du damit meintest.»
    «Siehst du», erklärte Pater Nau schnaufend. «Bruder Göck ist so unschuldig wie ein Osterlamm. Es wurde einmal Zeit, dass er sich mit der Welt auseinandersetzt.»
    Hella verkniff sich ein Lächeln, denn der Pater war auch nicht gerade berühmt für seine Weltoffenheit.
    Jetzt versuchte Nau, sich aufzurappeln.
    «Was hast du vor, Onkel?», fragte Hella besorgt.
    «Was soll ich schon vorhaben? Ich will hier raus. Und zwar sofort. Dein Mann und dieser verzärtelte Antoniter schaffen es ja wohl nicht ohne meine Hilfe, die Stadt vom Gräuel zu befreien. Also auf, du lenkst den Wärter ab, und ich schleiche mich hinaus.»
    Hella drückte ihren Onkel mit Gewalt auf das Strohlager zurück. «Du bleibst schön hier. Du bist krank. Hier hast du wenigstens Ruhe.»
    Pater Nau sah zuerst seine Nichte an, dann blickte er auf das Lager aus altem, feuchtem Stroh, danach auf die dunklen Wände, die zum Teil von Moos überzogen waren. «Na ja», sagte er ergeben und schon wieder von einem fürchterlichen Hustenanfall geschüttelt. Hella sah, wie sich der schmale Körper krümmte, wie ihr Onkel nach Luft rang, beide Hände auf die schmerzende Brust gepresst.
    Tränen stiegen in ihr auf. Sie wusste, dass Bernhard Nau sterben würde, bliebe er noch lange hier.
    Sie schloss die Augen.
    «Weine nicht, mein Kind», hörte sie ihren Onkel sagen. Sie hatte nicht bemerkt, wie ihr die Tränen über die Wangen rannen. «Weine nicht. Einmal kommt für jeden die Zeit. Versprich mir nur, dass du dich fernhältst von allen Dingen, die dir nicht guttun. Versprich es mir!»
    Seine Stimme war drängend geworden.
    Hella nickte. «Ich verspreche es», flüsterte sie. «Aber auch du musst mir etwas versprechen, Onkel. Halte durch. Halte wenigstens so lange durch, bis ich das Kind zur Welt gebracht habe. Es soll seinen Großonkel kennenlernen. Versprich es mir.»
    Pater Nau nickte, wollte zu einer Rede ansetzen, doch ein erneuter Hustenanfall erstickte seine Worte. «Geh … jetzt!», keuchte er. «Dies … ist … kein Ort für dich.»
    Hella nickte, warf noch einen letzten, tränenschwimmenden Blick auf Pater Nau, dann eilte sie aus dem Verlies.
    Draußen lehnte sie sich wieder an die Wand. Sie atmete begierig die frische Luft ein und schüttelte die feuchte Kälte aus ihren Kleidern.
    Plötzlich stand der Allerweltsmann wieder vor ihr. «Nun, seid Ihr abgewiesen worden?», fragte er mitfühlend.
    Hella wischte sich mit den Fäusten die Tränen von den Wangen und nickte.
    «Wisst Ihr, wohin Ihr jetzt gehen wollt?», fragte er und trat einen Schritt auf sie zu. «Doch nicht ins Wasser, oder?»
    Hella schüttelte den Kopf. Sie wollte nachdenken, sie war traurig, todtraurig und gewiss nicht in der Stimmung für ein Schwätzchen.
    «Ihr spielt doch nicht etwa mit dem Gedanken, Euch aus dem Leben zu stehlen?», wiederholte der Allerweltsmann und versuchte, in Hellas Gesicht zu lesen.
    Hella wandte sich ab. «Nein», erwiderte sie und bemerkte, dass ihre Stimme zitterte. «Ich werde nicht ins Wasser gehen. Gott wird für mich sorgen.»
    Der Mann nickte. «Wenn der Todesengel Euch gar zu sehr lockt, dann kommt wieder hierher zum Verlies. Ich werde Euch helfen.»
    «Warum?», fragte Hella. «Warum wollt Ihr mir helfen?»
    Der Allerweltsmann lächelte. «Weil jedes Kind ein Geschenk des Herrn ist. Vertraut auf Gott. Er wird Euch zu mir schicken, wenn Ihr nicht weiterwisst.»
    Hella nickte und ging mit schweren Schritten und gesenktem Kopf davon. Die Worte des Mannes waren nur halb in ihr Bewusstsein gedrungen. Ihre Gedanken drehten sich um Pater Nau. Es zerriss ihr das Herz, wenn sie an ihn dachte. Er muss da hinaus, beschloss sie. Was immer auch geschieht, er muss da hinaus. Sie sah nicht, dass der Mann ihr ein Stück folgte, sah auch nicht, dass er sie dabei anstarrte, als wolle er sich ihre Gestalt für immer einprägen. Hella dachte nur an ihren Onkel und

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