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Die Verfolgerin - Roman

Die Verfolgerin - Roman

Titel: Die Verfolgerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: edition 8
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leuchten wie Sterne. Anzeichen von Wahnsinn kann ich nicht ausmachen. Die Frau neben ihm sieht zehn Jahre älter aus. Sie hat kurze fettige Haare und samtig schimmernde Haut. Güte spielt um ihre Lippen und Spott. Gütiger Spott. Kann man so empfinden? Güte und Spott zugleich? Ich steige an der Haltestelle Siemens aus. Bis zur Strasse, in der sich die Sterbehilfeorganisation befindet, ist es noch ein Stück zu gehen. Ich laufe durch ein Wohngebiet mit Vorgärten, hohen alten Laubbäumen, wenig befahrenen Strassen; Mehrfamilienhäuser mit gehobenem Standard säumen die Strassen. Die Sterbehilfeorganisation befindet sich in einem weissen Haus. Ich gehe zur Eingangstür, um das Klingelschild zu lesen. Es gibt einen Bewegungsmelder. Licht geht an. Auf einem Messingschild steht in schwarzen Lettern Exit. Im ersten Moment denke ich, dass es sich um den Ausgang handelt. In einem Zimmer im obersten Stock brennt Licht. Vor dem Haus befinden sich fünf Parkplätze. Die Pflastersteine der Parkflächen sind schwarz. Die Flächen sind mit weisser Farbe umrahmt. Vor den Fenstern hängen Lamellenvorhänge, wie in Büroräumen. In die Kellerräume muss Tageslicht fallen, vielleicht erreichen sogar Sonnenstrahlen die Räume, denn es gibt Lichtschächte, und die Kellerfenster sind beinahe so gross wie die übrigen im Haus. In welchem der Zimmer sterben die Menschen? 150 sind es jährlich. Das sind pro Woche drei. Ich laufe ums Haus. Neben dem Haus steht eine weisse Calla: eine Eisenstange und darauf eine Blüte aus weissem Glas. Das Symbol für Unsterblichkeit.
    Ich klingele. In der Sprechanlage knistert es. Jemand fragt: Ja? Bitte? Mein Name ist Josefine Haupt. Ich möchte gern ein Beratungsgespräch. Kann ich jemanden sprechen? Grüezi, Frau Haupt. Bitte warten Sie einen Moment, ich bin gleich bei Ihnen. Ein Mann in einer schwarzen Hose mit einem hellblauen Hemd öffnet die Tür. Wir haben zwar heute keine Sprechstunde mehr, aber kommen Sie herein. Wir werden sehen, was sich tun lässt. Der Mann hat graue Haare und blaue Augen. Azurblau. Wenn er lächelt, dann bilden sich Grübchen auf seinen Wangen. Er lächelt, als er mich in sein Büro bittet. Ich solle in einem der Ledersessel Platz nehmen. Auf dem Tisch stehen frische Lilien, weisse und blaue. Das Zimmer ist in Schwarz, Weiss und dunklem Holz gehalten. Herr Sartori schenkt Wasser aus einer Karaffe ein. Kaffee könne er mir leider nicht anbieten, da er nicht wisse, wie die Kaffeemaschine zu bedienen sei und so spät am Abend die Assistentin nicht mehr da sei. Er entschuldigt sich, weil er noch schnell telefonieren müsse. Es ist seine Frau, die er anruft und der er mitteilt, dass es etwas später wird. Er sagt Schatz zu seiner Frau und dass er zum Fisch auch gern einen Rotwein nehme. Er drückt auf seinem iPhone die Auflegtaste, lehnt sich in seinem Sessel zurück und fragt, was mich hierher führe. Es passt nicht zu ihm, dass sich sofort Grübchen auf seinen Wangen zeigen, wenn er nur leicht lächelt, und ebenso nicht, dass seine Augen strahlen. Ich sage ihm, dass ich für einen Roman recherchiere. Ich wolle wissen, woher jemand, der Rizin haben will, es beziehen kann. Rizin? Das haben wir nicht, sagt er. Wie ich denn darauf komme. Das sei gefährlich, weil wer es herstellt oder verwendet, sofort verdächtigt wird, ein Terrorist zu sein. Ich sage ihm, dass dies in meinem Roman keine Rolle spiele, da meine Mörderin keinen terroristischen Hintergrund habe. Ich wolle nur die Giftbeschaffung so authentisch wie möglich schildern, und dazu sei es notwendig zu wissen, woher man es beziehen könne. Wenn Sie mich dann im Roman nicht erwähnen kann ich Ihnen helfen, sagt Herr Sartori. Ich kann Ihnen zumindest die Adresse von so einem verrückten Konzept-Art-Künstler geben, der arbeitet meines Wissens an einem Projekt mit Gift, das sicher eine hohe Medienaufmerksamkeit bekommt und viel Kritik. Aber je höher die Medienpräsenz desto höher der Preis fürs Kunstwerk und der Ruhm, sagt Herr Sartori, und seine Grübchen sind wieder zu sehen. Sein Lächeln streift mein Herz. Ich denke daran, dass sein Lächeln auch das Herz der Menschen, die zum Sterben herkommen, erreichen wird. Ich frage mich, warum er hier ist, wenn er ein Lächeln lächelt, das zum Leben einlädt und nicht zum Tod. Herr Sartori diktiert mir eine Adresse. Dort soll ich hingehen. Er begleitet mich zur Tür hinaus auf den Platz mit der Calla und wünscht mir viel Vergnügen bei der weiteren Arbeit.
    Dreiwiesenstrasse,

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