Die Verfolgerin - Roman
verfolgte, konnte ich nichts in Erfahrung bringen.
Alle Dokumente, meine schriftlichen Aufzeichnungen, die Fotos, den Stadtplan, die Friedhofspläne, das Filmmaterial, habe ich auf dem Esstisch ausgebreitet. Ich packe es in einen Schuber, und der kommt in einen Postkarton. Ich beteilige mich an einer Ausschreibung der Stadt München für den India Fuchs Gedächtnispreis. Er ist mit 15’000 Euro dotiert. An den Wänden tanzt oranges Licht. Es ist Juli. Abend. Kinderstimmen sind durch die geöffnete Terrassentür zu hören. Meine Jungs kommen morgen. Sie bringen viel schmutzige Wäsche mit, haben sie geschrieben. Wir fahren aufs Land. Ich lade sie in einen Biergarten ein. Den in Sachsenkam, beim Kloster Reutberg. Dort gibt es gegrillte Enten und Schweinshaxen. Das mögen sie. Ich mag den Blick über die Wiesen und das Geläut der Kuhglocken. Sie bleiben nicht lange. Der Jüngere fährt mit Freunden zum Gardasee. Der Ältere fliegt mit seiner Freundin nach Malta. Er hat die Freundin gewechselt. Ich hole mir eine Flasche Apfelcidre aus dem Kühlschrank, trinke ein Glas und warte auf den Kurier, der das Päckchen abholen soll.
Ich wollte nicht, dass der Ehemann geht. Ich wollte, dass er mich sieht, dass er mich spürt, dass er mir die Hand reicht.
Anhang
Ich habe am 12. Oktober 2011 von der Kulturreferentin der Stadt München den India Fuchs Gedächtnispreis für meine Dokumentation erhalten. In der Begründung der Jury steht unter anderem: »Gedanken sind gefährlich. Auch in der heutigen Zeit, in der Freiheit unser höchstes Gut ist.«
Dank
Ich danke Suse Bucher-Pinell und André Hille für die Begleitung dieser Arbeit und ihre kritische Würdigung des Textes sowie Heinz Scheidegger, Geri Balsiger und Brigitte Walz-Richter für ihren unermüdlichen Einsatz für Autoren als unabhängige Verleger. Für die Unterstützung bei meinen Recherchen bedanke ich mich bei Reinhard Auer.
Gesina Stärz: kalkweiss . Roman.
240 Seiten, gebunden, Fr. 32.–,
€ 20.80, ISBN 978-3-85990-163-6
Diane Stein ist 42 Jahre alt, Mutter eines 17-jährigen erfolgreichen Skirennläufers und seit 13 Jahren Geliebte des Bauunternehmers Henning Kranz, den sie als junge Architektin in Dresden kennen gelernt hat und der ihr in seiner Firma in Bayern eine Stelle anbot.
Es sind nur noch zwei Tage bis zu den Sommerferien. Die soll ihr Sohn David im Trainingscamp der Skinationalmannschaft in Chile verbringen. Diane hat schon lange keine Kontrolle mehr über ihren fast erwachsenen Sohn. Genau genommen war er als Baby bereits ein forderndes, durchsetzungsstarkes, aber auch sensibles Kind, das sie allein in einem alten Haus im bayrischen Oberland grosszog.
Diane sorgte dafür, dass er sich im Sport austoben konnte, und versuchte seine Energie zu lenken. Dennoch, zwei Tage vor den Sommerferien verliert sie die Kontrolle. Sie weiss, kein Gericht dieser Welt kann eine grössere Strafe verhängen als die, die sie durch das Leben erfährt: einen unermesslichen seelischen Schmerz. Ihr bleibt nur eines: Die Sommerferien, da David keiner vermissen wird, darüber nachzudenken, wie es geschehen konnte. Äusserlich führt sie ihr Leben weiter, als Architektin und Geliebte des Bauunternehmers Henning Kranz, als Nachbarin von Amelie, als Tochter von Ekkeland – und doch zieht sich der Kreis des Misstrauens immer enger um sie.
Erst zwei Jahre später ist sie in der Lage, ihr Schweigen zu brechen und über die Ereignisse jenes Sommers zu berichten. Alles läuft erneut vor ihr ab, als geschehe es im Augenblick.
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