Die Verfuehrerin
nach Christianas Arm. »Ich werde Sie nach draußen begleiten, Miss Mathison.«
Mit all dem Hochmut, den sie aufzubringen vermochte, entriß sie ihm ihren Arm und sagte: »Sir, Sie haben sich mir erst vor einer halben Stunde vorgestellt. Ich vertraue meine Sicherheit niemals Männern an, die ich nicht kenne. Mr. Tynan, wären Sie so liebenswürdig, mich zu begleiten?«
Rory schien entsetzt. »Ich fürchte«, sagte er und ließ dabei durchblicken, mit welcher Toleranz er ihre Unwissenheit behandelte, »daß Sie diesen Mann nicht kennen. Er ist...«
Chris war nicht umsonst jahrelang allein durch die Vereinigten Staaten gereist. Sie hatte genügend Erfahrung gesammelt, wie man mit jeder Sorte von Männern umgehen mußte. »Ich habe in der letzten Zeit viele Stunden allein mit diesem Mann verbracht und weiß alles über ihn, was ich wissen muß. Was mir dabei besonders aufgefallen ist, ist die Tatsache, daß er die Manieren eines Gentleman besitzt.«
Sie wandte sich ab und sah nun Tynan mit einem gewaltigen Grinsen neben sich stehen, der ihr seinen Arm anbot. »Die Lady hat Geschmack«, sagte er zu Rory. »Lehnen Sie sich zurück, und essen Sie in Ruhe zu Ende. Ich werde schon gut auf sie aufpassen.«
Damit führte er Chris aus dem Hotel und hinaus auf die vom Mond erleuchtete Straße.
»Warum haben Sie das getan?«
»Weil ich diesen Typ von Mann nicht ausstehen kann«, sagte sie mit Nachdruck.
»Typ? Aber ich dachte, alle Frauen mögen diese Art von Mann. Jedenfalls haben fast alle, die ich bisher gekannt habe, ihn gemocht.«
»Aber bisher haben Sie auch noch keine Frau gekannt, die mit achtzehn von zu Hause durchbrannte, um Zeitungsreporterin zu werden, nicht wahr?«
»Nein«, antwortete er mit einem Grinsen. »Das stimmt. Haben Sie wirklich Kopfschmerzen? Möchten Sie, daß ich Sie wieder ins Hotel zurückbringe?«
Sie blieb stehen und sah ihn an. »Wenn ich verspreche, nicht frech zu werden, würden Sie dann mit mir Spazierengehen?«
»Frech?«
»Nun - indem ich Sie auf Schritt und Tritt verfolge, zu viele Frage stelle und Ihnen in jeder Hinsicht zu dicht auf den Pelz rücke.«
Er sah sie betroffen an, packte dann ihren Arm und zog sie in eine dunkle Gasse hinein. Ehe Chris ein Wort sagen konnte, hatte er sie in seine Arme genommen und ihren Kopf auf seine Brust gelegt. »Chris, du wirst das nicht verstehen; aber ich muß mich bei dir für das bedanken, was du eben im Hotel getan hast. Wenn vier Männer in den Speisesaal stürzten und mit dem Revolver auf meinen Kopf zielten, wüßte ich, wie ich mit ihnen umzugehen habe; aber setze mich einem verwöhnten reichen Jungen gegenüber, und ich bin verloren. Du hast mir das Gefühl gegeben...«
»Als wärst du ein Gewinner?« beendete sie seinen Satz und versuchte, zu ihm hochzusehen; aber er hielt ihren Kopf an seiner Brust fest. »Déjà-vu«, flüsterte sie.
»Was?«
»Ich habe das Gefühl, als hätte ich das alles schon einmal erlebt. Erinnerst du dich an unser erstes Zusammentreffen?«
»Wie könnte ein Mann so etwas jemals vergessen, Chris? Aber du mußt jetzt wieder ins Hotel zurück. Ich kann doch nicht im Dunklen mit dir Spazierengehen.«
Chris wollte für immer bei ihm bleiben, und wenn er sie gefragt hätte, ob sie mitkäme, wäre sie zu ihm aufs Pferd gestiegen und fortgeritten - um im Regenwald zu hausen, wenn er es wünschte. Aber sie wußte, daß sie ihm gehorchen mußte. Er war sich über seine Gefühle für sie nicht im klaren, und sie war nicht bereit, sich ihm noch einmal aufzudrängen.«
»Also gut«, sagte sie mit großem Widerwillen in der Stimme, »gehen wir ins Hotel zurück.«
Er trat langsam von ihr weg, sah sie nicht dabei an und gab ihr Gelegenheit, zuerst aus der Gasse herauszutreten. Als Chris einen Schritt um die Hausecke herum machte, sah sie Rory mit Asher auf sich zukommen, und die beiden machten Gesichter wie eine freiwillige Bürgermiliz, die die Stadt von irgendwelchem menschlichen Ungeziefer befreien mußte. Sie drehte sich zu Tynan um. »Küsse mich«, flüsterte sie beschwörend.
Ty sah sie den Bruchteil einer Sekunde verwundert an; verlor dann aber keine Zeit mehr, ihr zu gehorchen. Er nahm sie in seine Arme und küßte sie mit einer Leidenschaft, von deren Existenz Chris bisher nicht das geringste geahnt hatte. Sie vergaß den Grund, der sie zu ihrer Bitte veranlaßt hatte, erwiderte seinen Kuß mit der gleichen Leidenschaft, schlang ihre Arme um seinen Hals und versuchte ihn noch enger an sich zu ziehen- was
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