Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
ziemlich kalt, Mylord«, sagte Arabella kurz angebunden. »Ich würde gerne sofort nach Hause gebracht werden. Die Sonne wird bald hoch am Himmel stehen. Meine Eltern werden sich Sorgen machen um meine Sicherheit. Ich hätte nicht gedacht, dass unser Ausflug so lange dauern würde.«
Sie nickte Martha flüchtig zu, ignorierte Alexander völlig und strebte eilends in die Kutsche, die am Landeplatz wartete. Lord Petre verbeugte sich sehr viel zeremonieller vor den beiden und folgte ihr.
Lord Petre entließ eine stumme und mürrische Arabella am Haus ihrer Eltern. Er bedauerte das Ende, das ihre Begegnung genommen hatte, besonders nach der herrlichen Fahrt auf dem Fluss, aber er wusste, dies war nicht der rechte Augenblick, sich über ein unbedeutendes Missverständnis Sorgen zu machen. Für Entschuldigungen würde später noch reichlich Zeit sein. Er ging sofort ins Bett, als er zu Hause war, und schlief bis zum Abend. Dann stand er auf, nahm in seinen Räumen ein spätes Abendessen aus Pastete und Spargel zu sich und machte sich daran, Menzies Papiere zu lesen. Es wurde jetzt Zeit für ernsthafte Angelegenheiten. Er hatte sich gerade in die Anweisungen vertieft, da kam Jenkins ins Zimmer. Er ging ruhig umher, entzündete die Kerzen und zog die Vorhänge zu. Aber als er fertig war, ging er nicht. Stattdessen blieb er neben Lord Petres Schreibtisch stehen. »Kann ich Sie sprechen, Mylord?«
»Aber natürlich, Jenkins«, antwortete Lord Petre, ohne aufzublicken. »Was gibt’s denn?«
Der Diener sagte nichts.
Lord Petre blickte ihn flüchtig an und sah, dass Jenkins todernst war und nervös am Bortenbesatz der Taschen seiner Livree herumzupfte.
»Ist irgendwas, Jenkins?«, fragte Lord Petre, legte seinen Federhalter hin und schob den Stuhl ein wenig vom Schreibtisch fort. Ihm kam der Gedanke, es könnte mit Menzies etwas schiefgelaufen sein, und ihn packte die Angst.
Jenkins räusperte sich. »Ich würde gerne mit Ihnen über meine Schwester reden, Mylord.«
»Ihre Schwester?«, wiederholte Lord Petre beinahe lachend. Gott sei Dank, dachte er. »Sucht sie eine Stellung, Jenkins?«, fragte er leutselig. »Tut mir leid, zu sagen, dass wir zur Zeit keinen Bedarf haben.«
»Nein, Sir«, erwiderte Jenkins hastig. »Sie sucht nicht nach Arbeit.« Er zögerte, verschränkte die Hände erst hinter dem Rücken, dann vorn. »Sie ist … Wissen Sie …«, wieder stockte er und errötete heftig.
»Nun mal schnell, Jenkins, was ist los?« Lord Petre wurde ungeduldig.
»Meine Schwester bekommt ein Kind, Mylord«, sagte er endlich. »Sie kommt bald nieder.«
Lord Petre lehnte sich zurück und blickte Jenkins mit – wie er hoffte – onkelhafter Besorgnis an. »Ist deine Schwester eine verheiratete Frau?«, fragte er. Er kam sich vor wie ein ländlicher Ratsherr, der sich um seine ungeratenen Gemeindemitglieder sorgte.
»Sie ist nicht verheiratet, Mylord«, erwiderte Jenkins. Natürlich ist sie das nicht, dachte Lord Petre bei sich und verkniff sich ein Lächeln.
»Ich glaube allerdings, dass meine Schwester hier bekannt ist, Mylord«, fügte Jenkins zornig hinzu.
Lord Petre stöhnte innerlich. Dies wurde allmählich wirklich zu viel. Wollte man ihn zum Patron der Familie Jenkins machen? »Bekannt?«, wiederholte er entnervt. »Wer ist deine Schwester, Jenkins?«
»Ihr Name ist Molly Walker, Sir«, sagte er.
Molly Walker! Gütiger Gott. Wirre Gedanken bestürmten ihn. Hatte Jenkins denn nichts gewusst von ihrer Affaire? Aber natürlich hatte er! Er hatte Lord Petre viele Male mit Molly gesehen. Er hatte sogar geholfen, ihre Begegnungen zu arrangieren. Warum hatten weder er noch Molly etwas gesagt, solange es dauerte? Vielleicht hatte Jenkins sich geschämt, was aus seiner Schwester geworden war. Lord Petre war entsetzt durch diese Enthüllung.
Seine Gedanken überschlugen sich. »Warum ist Mollys Name nicht Jenkins?«, fragte er.
»Der erste Mann meiner Mutter hieß Walker«, kam die Erklärung.
Aber Lord Petre hörte kaum hin. Ihm fiel ein, dass Molly an jenem Tag in der Bratstube sichtbar schwanger gewesen war. Wollte Jenkins ihn womöglich bitten, sich mit Mollys Verführer zu duellieren? Eine groteske Idee! Dann kam ihm ein grässlicher Gedanke. Konnte das Kind seins sein? Aber nein, das war unmöglich. Es war jetzt Ende Juni, und seine Affaire mit Molly war im letzten August zu Ende gewesen.
Aber als habe er Lord Petres Gedanken gelesen, erklärte Jenkins: »Meine Schwester sagt, Sie sind der Vater des Kindes,
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