Die Verfuehrung Des Ritters
bitter, und sie stieß sie heftig hervor. »Ich weiß, dass dieser Krieg beendet werden muss. Ich weiß, dass meine Männer seit zwei Wochen kaum etwas gegessen haben, während Eure Soldaten sich auf den Feldern und in den Vorratskammern meiner Dörfler gütlich getan haben. Dutzende meiner Leute starben deshalb auf diesem Schlachtfeld des Hungers. Ich weiß, dass Euer Pferd in der vergangenen Woche wahrscheinlich besser gefressen hat als mein Küchenpersonal...«
»Ihr wisst gar nichts.«
»Ich weiß, dass wir verlieren könnten ...«
»Ihr wisst gar nichts.«
»... und verlieren und verlieren, und dass Ihr dann trotzdem immer noch nicht gewonnen habt.«
»Ihr wisst gar nichts«, wiederholte er mit kalter Stimme. »Ihr wisst nicht, welche Gräueltaten meine Armee verhindert hat...«
»Oh, wie heldenhaft.«
»... und schon gar nicht wisst Ihr, was mein Pferd frisst, Guinevere.«
»Hafer.«
Seine Mundwinkel hoben sich, ohne dass er lächelte. »Ihr glaubt, Ihr würdet mich kennen.«
»Ich glaube, Ihr seid schrecklich. Und ich glaubte ...«
Er zog einen Handschuh aus. Seine Finger schlossen sich fest um ihr Kinn. »Was?«
»Tot«, flüsterte sie. Es befriedigte ihn sehr, dass ihre Stimme bebte. »Ich ... ich habe geglaubt, Ihr wärt tot.«
»Weil Ihr alles in Macht Stehende getan habt, dafür zu sorgen, nicht wahr?«
Ihr Atem stockte. »Und für wie viele Tode tragt Ihr die Verantwortung? Ihr mit Eurem Schwert und Eurem Herzog, der unbedingt zum König gekrönt werden will ?«
Seine Finger packten fester zu, drückten sich in die zarte Haut ihres Gesichts. »Eure Familie war dazu bestimmt, mein Verderben zu sein«, erwiderte er so leise, dass ihn außer Gwyn niemand hörte. »Ich habe mir vorgenommen, Euch ebenso ins Verderben zu stürzen. Ihr glaubt, ich sei schrecklich? Ihr habt ja keine Ahnung.«
»Nicht hier. Jetzt ist keine Zeit«, sagte eine Stimme hinter seinem Rücken. Alex.
Griffyn kehrte in die Realität zurück. Die Augen aller Anwesenden ruhten auf ihm, ihrem neuen Herrn, der beim Anblick dieser Hexe sofort denVerstand und die Beherrschung verloren hatte.
Er senkte den Kopf und atmete tief durch. Er wusste, dass er beinahe die Beherrschung verloren hätte. Er hätte sie töten können. Wenn sie noch ein Wort gesagt hätte, wenn Alex nicht da-zwischengegangen wäre ... Er hätte die Hand immer fester um ihren schmalen Hals geschlossen, damit sie nicht länger ihr Gift verspritzen konnte.
Er wirbelte herum.
»Bringt sie in die Gemächer des Burgherrn!«, befahl er barsch. Er trat zu seinen Hauptleuten und dem Seneschall, und während sein Herz wie wild schlug und seine Gedanken von der Wut vernebelt waren, schickte er seine Leute ins Innere der Burg, damit sie sich mit dem Verwalter der de l'Ami zusammentun und die Übergabe der Burg einleiten konnten. Er befahl den Soldaten, die Befestigungsanlagen zu inspizieren. Die Männer de l'Amis sollten ihm ihren Treueid leisten oder fortgeschickt werden.
Seine Männer eilten sofort davon, den Befehlen Folge zu leisten. Um ihn herum brach hektische Geschäftigkeit aus. Griffyn aber packte Noirs Zügel und führte ihn zum Stall. Er versuchte zu vergessen. Versuchte, sich auf den Sieg zu konzentrieren.
Er wollte seinen Vater vergessen. Den Zorn vergessen. Die verlorenen Jahre. Die Frau, von der er geglaubt hatte, er könne sie lieben. Vergessen, alles wollte er vergessen.
Alex überwachte die Festnahme und Befragung der feindlichen Soldaten. Sie waren, wie nicht anders zu erwarten, Guinevere treu ergeben. Aber viel interessanter war, was die Männer nicht sagten.
Es waren kräftige Männer, deren spitze Gesichter vom Hunger erzählten, den sie litten. Es waren standhafte Männer, die jedoch des Kämpfens müde waren. Sie wollten nicht, dass ihr Land noch länger von einem endlosen Krieg zerrissen wurde.
Es waren kampferprobte Soldaten, die so manches erlebt hatten, und dazu gehörte auch, sich ehrenhaft zu ergeben, wenn die Alternative war, das eigene Leben zu verlieren.
Bis auf den letzten Mann schworen sie, Griffyn Sauvage als dem Herrn von Everoot zu dienen. Die meisten taten es sogar gern.
»Der da macht uns Probleme.« Hervé Fairess, der Angevine, zeigte auf einen Mann.
»Und der auch«, knurrte er.
Alex betrachtete den jungen Ritter mit dem kurz geschnittenen blonden Haar, der abseits stand und die Männer mit dem Greifenwappen auf dem Wams finster anblickte. Er schien loyal zu sein, wenn Alex die Blicke richtig deutete, die der junge
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