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Die vergessene Insel

Die vergessene Insel

Titel: Die vergessene Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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der
Kabine, die offen stand wie immer, wenn jemand hereinkam, um ihnen Essen zu servieren, das gebrauchte
Geschirr abzuholen oder eine Nachricht zu überbringen, standen zwei Soldaten Wache. Sie unterhielten
sich lautstark und lachten, aber trotzdem mußten sie
jedes Wort hören, das hier drinnen gesprochen wurde.
Mike warf einen raschen Blick zu Chris hinüber, mit
dem er sich die Kabine teilte, stellte fest, daß er zusammengerollt auf seiner Liege lag und fest schlief,
und drehte sich dann herum, um mit langsamen
Schritten zum Tisch zu gehen. Dabei behielt er unauffällig die Tür im Auge. Die
beiden Männer dort
draußen redeten noch immer, aber einem von ihnen
war aufgefallen, daß das Servieren des Mittagessens
etwas lange dauerte, denn er sah genau in diesem Moment mißtrauisch zu ihm herein.
»Was gibt es denn heute?« fragte Mike, während er
sich dem
Tisch näherte.
»Schon wieder Gemüsesuppe?« fragte er übertrieben laut und mißmutig. Er hob
den Deckel von der Suppenterrine und schnupperte
hörbar. »Fällt dem
Koch eigentlich gar nichts
Neues
mehr ein?«
Der Mann an der Tür grinste und wandte sich wieder
seinem Kameraden zu, und Mike wagte es, dem Steward vor sich direkt ins Gesicht zu blicken. Seltsam er war sicher, den Mann noch nie zuvor hier an Bord
gesehen zu haben; und trotzdem kam er ihm irgendwie bekannt vor. Mike runzelte fragend die Stirn.
»Heute abend«, flüsterte der Matrose, während er vom
Tisch zurücktrat und sich das leere Tablett unter den
Arm klemmte. »Eine Stunde nach Mitternacht. Seid
bereit.«
Mike riß verwirrt die Augen auf, aber er bekam keine
Gelegenheit zu einer Frage, denn der Matrose drehte
sich schnell herum und verließ mit gesenktem Blick
die Kabine. Mike fiel auf, daß seine Haut merklich
dunkler war als die der beiden Posten vor der Tür.
Eine Stunde nach Mitternacht, wiederholte Mike in
Gedanken. Das konnte doch nur heißen...
Kaum hatten die beiden Soldaten die Tür hinter dem
vermeintlichen Steward geschlossen, da fuhr Mike
herum, lief zu Chris' Koje und schüttelte seinen Mitgefangenen wach.
Chris schlug seine Hand zur Seite, versuchte sich herumzudrehen, um weiterzuschlafen. Mike hatte nie zuvor einen Menschen getroffen, der so viel schlafen
konnte wie Chris und trotzdem ununterbrochen müde
war. Aber Mike
ließ
nicht locker, sondern
packte
Chris kurzerhand bei den Schultern und zerrte ihn
mit sanfter Gewalt in die Höhe.
»Verdammt!« flüsterte er hastig. »Mach endlich die
Augen auf! Wir müssen zu den anderen! Es ist etwas
passiert!«
»Hm?« machte Chris. Mike versuchte nicht Chris irgend etwas zu erklären, sondern zerrte ihn vollends
in die Höhe und schubste ihn vor sich her zur Tür.
»Komm mit!«
Irgendwo auf halbem Weg schien Chris dann wohl
doch aufzuwachen, denn er streifte Mikes Hand ab
und blieb vor dem Tisch stehen. »Das Essen ist ja
schon da!« sagte er überrascht. »Ist es schon so spät?«
»Ja«, antwortete Mike ungeduldig und zerrte ihn weiter. »Aber dafür ist jetzt keine Zeit. Wir müssen zu
den anderen. Und kein Wort!«
Chris blinzelte verwirrt, aber Mike hatte schon die
Tür erreicht und riß sie auf. Die beiden Wachen
draußen unterbrachen überrascht ihr Gespräch und
drehten sich zu ihm herum, aber Mike ignorierte sie
einfach.
»Das lasse ich mir nicht länger gefallen!« sagte er laut
und in so zornigem Tonfall, wie er nur konnte. »Den
Fraß kriegt ja keiner herunter! Ich spreche mit den
anderen, und danach knöpfen wir uns diesen Küchenknaben vor! Auch ein Gefangener hat ein Recht auf
vernünftiges Essen!«
Der Soldat grinste breit, wobei er eine gewaltige
Zahnlücke entblößte, machte aber dann eine auffordernde Bewegung, und Mike eilte weiter, Chris noch
immer am Arm haltend. Er hörte, wie der Mann hinter ihm eine spöttische Bemerkung auf deutsch zu seinem Kameraden machte, worauf beide in schallendes
Gelächter ausbrachen. Wahrscheinlich hielten die beiden ihn jetzt für völlig übergeschnappt.
Ohne anzuklopfen, platzte er in die gegenüberliegende
Kabine, wo die drei anderen bereits zum Essen Platz
genommen hatten. Alle sahen überrascht auf, als
Mike so hereinpolterte, aber er machte eine hastige
Bewegung, schloß die Tür hinter sich und atmete erst
einmal tiefdurch.
»Was ist denn los?« fragte Juan spöttisch. »Du siehst
aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
»Ich glaube, das habe ich auch«, sagte Mike leise und
bedeutsam. »Hat er es euch auch gesagt?«
»Hat wer uns was gesagt?« fragte Juan betont.

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